https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/vfb-stuttgart-trennt-sich-von-trainer-pellegrino-matarazzo-18377704.html

Bundesliga : VfB Stuttgart stellt Trainer Matarazzo frei

  • -Aktualisiert am

Das war’s: Pellegrino Matarazzo ist nicht mehr Trainer des VfB Stuttgart. Bild: Reuters

Nach neun sieglosen Bundesligaspielen in Folge zieht der VFB Stuttgart die Reißleine und trennt sich von Trainer Pellegrino Matarazzo. Einen Nachfolger gibt es noch nicht.

          3 Min.

          Pellegrino Matarazzo ahnte wohl am späten Sonntagabend schon, dass sich die gemeinsame Zeit beim VfB Stuttgart nach fast drei Jahren dem Ende zuneigt. Der Cheftrainer des Fußball-Bundesligaklubs saß nach der 0:1-Niederlage gegen Tabellenführer Union Berlin in der Pressekonferenz und tat fast beiläufig kund, dass er davon überzeugt sei, dass die Mannschaft am Samstag gegen den Tabellenletzten VfL Bochum gewinnen werde.

          Nach einer Sekunde des Nachdenkens fügte er hinzu: „Unabhängig davon, wer auf der Bank sitzt.“ Hatte er sich nach dem couragierten, aber glücklosen Auftritt gegen Berlin schon damit abgefunden, dass sein 100. Pflichtspiel für den VfB gleichzeitig auch sein letztes ist? Nein, entgegnete Matarazzo leise. Er meine lediglich mit der Aussage, dass es nicht um seine Person gehen würde. Er mache sich keine Gedanken um seine Zukunft. „Das Wichtigste für mich ist, dass die Mannschaft Erfolg hat, das wünsche ich ihr von ganzem Herzen. Das sind tolle Jungs.“

          Diese tollen Jungs werden nun einen neuen Trainer bekommen, das steht nach stundenlangen Beratungen der Klubspitze mit dem Vorstandsvorsitzenden Alexander Wehrle, dessen Berater Sami Khedira und Sportdirektor Sven Mislintat am Montag fest. Um 17.38 Uhr verschickte der VfB eine Pressemitteilung mit der Überschrift: „VfB Stuttgart stellt Pellegrino Matarazzo frei“.

          Wie es in solchen Fällen so ist, verpackte der Klub die schlechte Nachricht in schöne Worte. „Der Wiederaufstieg und der zweimalige Klassenerhalt sind eng mit seinem Namen verknüpft“, so Wehrle. Im Fall von Matarazzo sind die Lobhudeleien zum Abschied aber nicht einfach so dahingesagt. Der 44-jährige Amerikaner genoss tatsächlich die Wertschätzung aller, nachdem er mit dem VfB vor zwei Jahren in die Bundesliga aufgestiegen war und anschließend mit begeistertem Offensivfußball die Liga aufmischte.

          „Letztlich“, so begründete es Wehrle, „sind wir aber zu der Überzeugung gelangt, dass eine Veränderung auf der Trainerposition notwendig ist, um nach den negativen Ergebnissen der vergangenen Wochen eine Trendwende herbeizuführen.“ Die Ergebnisse sprachen gegen Matarazzo. Nach der Niederlage gegen Berlin rutschte der VfB nicht nur auf einen Abstiegsplatz, er wartet nach neun Spielen weiter auf den ersten Sieg in dieser Saison – so lange wie noch nie in der bewegten Historie des VfB.

          1000 Tage im Amt

          Dass etwas zerbrochen sein musste nach fast 1000 Tagen der Zusammenarbeit, spürten die Beobachter schon am Sonntag nach dem Gegentreffer von Paul Jaeckel (76. Minute). Plötzlich war es gespenstisch still im Stadion, so still, dass man sogar in der mit fast 45.000 Zuschauern besetzten Arena die Taubenschläge hören konnte.

          Nach dem Schlusspfiff verabschiedeten die Fans in der Cannstatter Kurve die Spieler mit schrillen und lauten Pfiffen, als sich die Mannschaft zaghaft und langsam näherte, nahmen sie sogar noch zu. Es war das erste Mal seit dem Wiederaufstieg 2020, dass sich die treuesten Anhänger von den Profis und dem Trainer demonstrativ abwendeten. In der vergangenen Saison, als der VfB gegen den Abstieg spielte, war die Unterstützung noch frenetisch und leidenschaftlich, die Ruhe im Verein und im Umfeld war ein Grund dafür, warum der VfB am letzten Spieltag noch den Ligaverbleib schaffte.

          Für die Entfremdung zeigte Matarazzo Verständnis, obwohl die Mannschaft in den 90 Minuten davor leidenschaftlich kämpfend aufgetreten und einem Treffer zunächst viel näher war als die Berliner. „Wir sind genauso enttäuscht wie die Fans“, sagte Matarazzo, „wir wollen auch mehr.“

          Er und alle beim VfB hatten nach der aufreibenden Spielzeit auf eine ruhige Saison im Mittelfeld gehofft, doch nun stecken sie schon wieder hinten fest, fünf Punkte sammelten sie bisher und gewannen im gesamten Jahr 2022 nur drei Spiele. Dass die Stuttgarter in dieser Saison in ihren guten Momenten gut verteidigten und phasenweise mit kunstvollen Ballstafetten durchs Mittelfeld kombinierten, nutzte nichts, weil im Fußball eben die Resultate zählen – und da tut sich schon seit Wochen eine große Kluft zur tatsächlichen Spielleistung auf.

          Der VfB ist nicht schlechter als seine Gegner, oftmals wie auch gegen Union haben sie die besseren Torchancen, aber der Ball findet nur selten ins Tor. Gegen Berlin fasste eine Szene die bisherige Runde sehr gut zusammen. Kurz nach dem Gegentor hatte der VfB innerhalb von wenigen Sekunden dreimal die Chance auf einen Treffer, es war fast Slapstick, dass der Ball sein Ziel verfehlte, dreimal schossen die Stuttgarter aus kurzer Entfernung auf das Tor, beim dritten Mal landete der Versuch von Konstantinos Mavropanos schließlich am Pfosten – abgefälscht vom eigenen Mitspieler.

          Das nächste Tor des VfB wird Matarazzo nun aus der Entfernung erleben. Für ihn geht eine prägende Zeit zu Ende. „Es waren intensive und wunderschöne Jahre mit vielen unglaublichen Momenten und Erinnerungen, die für immer bleiben werden“, sagte Matarazzo. Er kam als Unbekannter und geht als gestandener Bundesligatrainer, der sich mit seiner ruhigen, besonnenen Art und seinen einfallsreichen Fußball viel Renommee erworben hat. Wer auf ihn folgt, steht noch nicht fest.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Brille Vision Pro : Apple hat eine teure Vision

          Jetzt steigt Apple in den Markt der AR- und VR-Brillen ein. Die Vision Pro kostet mindestens 3500 Dollar und verspricht, „ein revolutionäres Produkt“ zu sein. Doch was kann das Headset wirklich?
          Till Lindemann im Juli 2019 in Hannover

          Till Lindemanns Verlag : Macht Geld blind?

          Kiepenheuer & Witsch bestreitet, etwas von Till Lindemanns Pornovideo gewusst zu haben. Das klingt angesichts der breiten Berichterstattung unglaubwürdig.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.