Unions 2:0 bei Hertha BSC : Ein Berliner Derby der etwas anderen Art
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Union Berlins Danilho Doekhi (rechts) gelingt kurz vor der Pause der Führungstreffer im Stadtderby gegen Hertha BSC. Bild: Reuters
Den „Eisernen“ gelingt der vierte Erfolg in Serie über den Stadtrivalen. Im Olympiastadion hält Hertha erst gut dagegen, die Tore erzielt aber Union, das als Zweiter erster Verfolger der Bayern ist.
Rot-Weiße Fahnen wehten zum Ausdruck höchster Glückseligkeit im Berliner Olympiastadion. Davor hüpften die Spieler des 1. FC Union freudig auf und ab. Einer von ihnen, Sheraldo Becker, entkleidete sich im Überschwang der Gefühle gar bis auf die Unterwäsche. Auf der anderen Seite, dort wo die Fans in Blau und Weiß standen, gab es nur betretene Gesichter zu sehen. Die Fußballer von Hertha BSC wurden von ihrem Anhang mit Schimpftiraden bedacht, vereinzelt flogen ihnen Becher und Papierkugeln entgegen.
Alles wie immer also beim Derby in Berlin. Jubelnde Unioner, trauernde Herthaner, die sich am Abend noch von Geschäftsführer Fredi Bobic trennten. Zum nun schon fünften Mal in Folge siegte Union gegen den Rivalen, dieses Mal 2:0. Und doch war dieser Stadtvergleich ein Stück weit anders, weil zäher, unansehnlicher und fußballerisch über weite Strecken limitierter als seine Vorgänger. „Wir wussten, dass es ein komisches Spiel werden würde. Mit vielen hohen Bällen und umkämpften Zweikämpfen“, sagte Herthas Marco Richter. Präziser konnte man das Geschehen kaum beschreiben.
Union wirkte in der Anfangsphase etwas nervös – oder wie Trainer Urs Fischer sagte: „verkrampft“. „Das hatte auch mit Hertha zu tun, die uns aggressiv angelaufen haben und alle Fünfzig-zu-Fünfzig-Duelle für sich entschieden haben“, sagte Fischer. Hertha war sichtlich gewillt, das 0:5 gegen Wolfsburg vergessen zu machen. Allein die gute Absicht konnte aber nicht verhehlen, dass die Gastgeber über so gut wie keine Mittel verfügten, um Torgefahr heraufzubeschwören.
Durch die erste Halbzeit quälten sich beide Mannschaften vor allem mit Kampf und dem Willen, keinen Zentimeter freiwillig dem Gegner zu überlassen. Mehr Positives lässt sich über den Vortrag kaum sagen. Wer Freude an Torabschlüssen hat, der musste bis zur 34. Minute warten. Da versuchte es Herthas Suat Serdar von der Strafraumgrenze, aber sein Schuss war etwas zu hoch. Ein 0:0 wäre das passende Resultat zur Pause gewesen, aber an die vermeintliche Logik des Spiels hält sich dieser 1. FC Union schon lange nicht mehr.
Die Mannschaft des Trainers Urs Fischer verfügt über die unschätzbare Qualität, selbst dann ein Tor erzielen zu können, wenn eigentlich gar nichts zusammenläuft. Kurz vor der Pause brachte Kapitän Christopher Trimmel eine Flanke in den gegnerischen Strafraum. Genau so, wie er das seit Jahren tut. Sehr scharf, mit leichtem Drall und zielgerichtet auf einen großen, kopfballstarken Mitspieler. Trimmels Lieblingsziel heißt seit Neuestem Danilho Doekhi, ein vortrefflich gewachsener Abwehrspieler aus den Niederlanden.
Am vergangenen Wochenende trat Trimmel zwei Standardsituationen in die Richtung von Doekhi, zwei Mal lag der Ball anschließend im Tor. So auch dieses Mal. Im Anschluss an einen Freistoß war Doekhi mit dem Kopf zur Stelle und es stand 0:1. „Wir haben uns vorher noch Standards angesehen, aber was willst du machen, wenn er so scharf ankommt und dann so ein Zwei-Meter-Ochse rein springt“, sagte Richter. Faktisch war das nicht ganz korrekt, Doekhi zählt weder zur Spezies der Ochsen noch misst er zwei Meter. Offiziell ist seine Größe mit 1,90 Meter angegeben, aber beim Kopfball wächst der Verteidiger regelmäßig über sich hinaus. Erster Torschuss, erstes Tor, typisch Union. „Da sieht man, warum sie Zweiter sind und wir Zweitletzter. Das ist Effizienz“, sagte Herthas Torwart Oliver Christensen.
Effizient blieb Union auch in der zweiten Halbzeit. Nachdem Rani Khedira am eigenen Strafraum den Ball eroberte, ging alles ganz schnell. Sheraldo Becker lief seinen Gegenspielern davon, bediente in der Mitte den mitgelaufenen Paul Seguin, der zum 0:2 einschob. Aufregend wurde es unmittelbar im Anschluss. Schiedsrichter Felix Brych schaute sich die Szene noch mal an. Überprüfen wollte er, ob bei der Balleroberung ein Foul von Khedira vorlag. Dann hätte es statt Tor Union Elfmeter für Hertha gegeben. Brych beließ es aber beim Tor. „Da habe ich kurz ein komisches Gefühl bekommen. Ich treffe den Ball und auch den Gegner, aber das war ein aggressiver Zweikampf und aus meiner Sicht auch fair“, sagte Khedira.
Damit war das Spiel entschieden. Hertha wurde zwar vor dem gegnerischen Tor zwingender, Lucas Tousart (74.) und Marco Richter (83.) blieb aber ein Erfolgserlebnis verwehrt, passend zur derzeitigen Situation bei Hertha BSC. Durch die dritte Niederlage im dritten Spiel 2023 werden die Abstiegssorgen immer größer.
Union bleibt dagegen auf Platz zwei und freut sich über ein auf allen Ebenen erfolgreiches Wochenende. Als Zugang stellten die Berliner den tunesischen WM-Teilnehmer Aissa Laidouni vor. Am Dienstag könnte er im DFB-Pokal gegen Wolfsburg sein Debüt geben.