Erfolgsfaktor von Darmstadt 98 : Patric Pfeiffer in seiner eigenen Etage
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Im Fokus: Patric Pfeiffer Bild: picture alliance/dpa
Hinten räumt er ab, vorne trifft er: Patric Pfeiffer hat „ein unglaubliches Gesamtpaket“, schwärmt sein Trainer. Er ist einer der Gründe für den Erfolg von Darmstadt 98 – und wohl schon bald woanders.
Es gibt Profis, die angeblich in ihrer eigenen Liga spielen, so gut sind sie. In Darmstadt agiert einer, der regelmäßig in seiner eigenen Etage unterwegs ist. „Der“, brachte es „Lilien“-Torhüter Marcel Schuhen mal auf den Punkt, „kriegt die Bälle noch auf 3,50 Meter Höhe, wo sonst keiner mehr hinkommt.“ Und der alles entscheidende Zusatz lautet: Der köpft sie auch noch ins Tor.
Die Rede ist von Patric Pfeiffer, dem 1,96 langen Innenverteidiger der Darmstädter. Ein 23 Jahre alter Profi, der an – zuletzt selten gewordenen – schlechten Tagen ein zum Phlegma neigender Bruder Leichtfuß ist. Der aber an seinen vielen guten Tagen eine enorme Präsenz und Sicherheit, ja eine schier unüberwindliche Hürde für gegnerische Angriffsbemühungen darstellt. Pfeiffer ist einer, den viele und auch er selbst gerne schon in dieser Spielzeit in der Bundesliga gesehen hätten und dem nicht nur sein Trainer Torsten Lieberknecht eine große Karriere prophezeit.
Pfeiffers enorme Zweikampf- und Kopfballstärke sind Grundlagen für den anhaltenden Höhenflug der Südhessen, die sich schon vor dem finalen Heimspiel gegen Greuther Fürth an diesem Sonntag (13.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur zweiten Bundesliga und bei Sky) die Herbstmeisterschaft in der zweiten Liga gesichert haben. Pfeiffer bringt seine Fähigkeiten nicht nur defensiv zum Einsatz bringt, sondern auch vorne.
Vier (Kopfball-)Tore hat der Deutsch-Ghanaer in dieser Saison schon erzielt. Viermal führten sie zu einem Darmstädter Sieg: Pfeiffer traf beim 2:1-Erfolg bei seinem Heimatverein Hamburger SV, erzielte einen Treffer beim 2:1-Sieg in Karlsruhe und war zuletzt zweimal nach demselben Schema verantwortlich für den 1:0-Sieg gegen Düsseldorf und am Donnerstag für den 1:0-Erfolg in Magdeburg.
Beide Siegtore fielen nach Eckbällen, die eigentlich in einem verteidigerfreundlichen, viel zu hohen Bogen und zu weit weg vom Tor geschlagen wirkten. Doch Pfeiffer vermochte mit Athletik, Wucht und Gefühl zu verwandeln. Dazu zeigt er nicht nur Stabilität, sondern auch Geschick in der Abwehrarbeit. Auch punktgenaue, aus dem Fußgelenk geschlagene Diagonalbälle über das halbe oder ganze Feld zeichnen ihn aus.
„Der Junge hat ein unglaubliches Gesamtpaket“, sagt Coach Lieberknecht. Dies sei auch im Ausland nicht verborgen geblieben. Die Darmstädter Verantwortlichen machen sich keine Illusionen darüber, dass selbst bei einem Bundesligaaufstieg des SVD die Chancen auf einen Verbleib Pfeiffers gering sind. Denn der Vertrag des gebürtigen Hamburgers am Böllenfalltor läuft Ende Juni 2023 aus. Nicht dass die Darmstädter eine vorzeitige Verlängerung nicht mehrmals angestrebt hätten, Pfeiffer und sein Berater wollten schlicht nicht.
Verlust zum Nulltarif möglich
Es wäre interessant, zu hören, wie Pfeiffer seinen Einfluss auf das Darmstädter Spiel einordnet und welche persönlichen Perspektiven er wägt. Doch seit Monaten schon steht der über 90 Kilogramm schwere Hüne weder für Interviews noch für Gespräche nach den Spielen zur Verfügung.
Im vergangenen Sommer schon waren in der „Lilien“-Zentrale dem Vernehmen nach Offerten für den Abwehrmann eingegangen. Pfeiffer soll den schnellen Karrieresprung vorgezogen haben gegenüber einem weiteren Zweitligajahr zur Reifung und Schärfung seiner Fähigkeiten. Doch die Darmstädter verfuhren so wie einst bei Torjäger Serdar Dursun, den sie in ihren Reihen hielten mit der einkalkulierten Aussicht, ihn am Jahresende zum Nulltarif zu verlieren. Dursun überragte dann mit 27 Saisontoren – sein Sprungbrett für einen großen Vertrag bei Fenerbahce Istanbul. Es spricht viel dafür, dass es bei Patric Pfeiffer ebenfalls so kommen wird.
Zu Beginn der Saison schien es indes so, als ob die Beziehung zwischen Verein und Spieler Kratzer bekäme: Seine Gelb-Rote Karte nach 37 Minuten am ersten Spieltag in Regensburg, die zur ersten und bislang letzten SVD-Niederlage führte; ein lautstarker Trainingsdisput mit dem Trainer; eine Rückkehr ins Team erst am vierten Spieltag. Doch Pfeiffer kehrte zurück – wohl so stark wie nie, auf seiner eigenen Etage. „Sein Weg“, so Lieberknecht, „wird unbeschreiblich werden, wenn er klar bleibt und konzentriert weiterarbeitet.“