Zweite Bundesliga : Der Fluch der guten Darmstädter Taten
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Der Neue: André Leipold Bild: Huebner
Der SV Darmstadt 98 spielte eine grandiose Hinrunde. Und nach jedem Sieg kommt die Frage: Kann der Klub wirklich in die Bundesliga aufsteigen? Die Antwort will das Team nur auf dem Platz geben.
In die Ferne schweifen – das ist nicht die Sache des SV Darmstadt 98. Nach zwei Wochen Winterpause ging es am 3. Januar wieder los mit einem ersten Training. Und weil die „Lilien“ unter Trainer Torsten Lieberknecht noch eine Spur geerdeter geworden sind, als sie es schon immer waren, kam ein Trainingslager irgendwo in der Sonne nicht in Betracht. Stattdessen versammelte sich der Tross eine paar Kilometer weiter in Gernsheim in einem Golfhotel, trainiert wurde wie üblich am Böllenfalltor. Ein internes Testspiel am Mittwoch, ansonsten viel Kommunikation, Pflege des eindrucksvollen Teamgeists, der den Klub im ersten Halbjahr der Zweitligasaison auf Platz zwei geführt hat, nur einen Punkt hinter Tabellenführer FC St. Pauli und sogar fünf Punkte vor dem HSV auf dem Relegationsplatz.
Der Fluch der guten Taten, der Fluch einer für Darmstadt und Lieberknecht grandiosen Hinrunde ist der übliche. Keine Woche, kein Sieg, nach dem nicht die Fragen gestellt werden: Kann der Verein aufsteigen? Wann gibt er die Bundesliga als Ziel aus? Das sind Fragen, so lästig wie sinnlos, weil ja jeder die Antwort kennt: Nein, wir denken nicht an den Aufstieg, wir denken von Spiel zu Spiel, von Punkt zu Punkt. Das „Darmstädter Echo“ hat zuletzt ein Pro und Kontra abgedruckt, Aufstieg ja oder nein? Ein Argument kontra war, dass der Verein in den vergangenen Jahren nie zwei konstante Halbserien gespielt habe.
Allerdings war die zweite immer die bessere. Und sollte sich dieser Trend fortsetzen, wäre bei fünf Punkten Vorsprung vor Platz drei (und der weitaus besseren Tordifferenz gegenüber dem HSV) der direkte Aufstieg höchst wahrscheinlich. Lieberknechts Team, das mit dem besten Sturm und der zweitbesten Abwehr durch die Vorrunde marschierte, ist dies zuzutrauen. Hilfreich wäre ein gelungener Restart im Jahr 2022. Erster Gegner ist am 15. Januar (20.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur 2. Bundesliga, bei Sport1 und Sky) am Böllenfalltor der Karlsruher SC.
„Ein weiterer hungriger Spieler“
Lieberknecht, der mit seiner zupackenden Art längst zum Publikumsliebling in Darmstadt geworden ist, will die kurze Vorbereitungszeit auch dazu nutzen, um seine Spieler noch einmal auf seine Art, Fußball zu spielen, einzuschwören: mutig, offensiv, selbstbewusst, attraktiv. Wenn man sich die Punkteausbeute der „Lilien“ in den bislang 18 Saisonspielen anschaut und berücksichtigt, dass die ersten beiden Partien mit insgesamt 0:5 Toren verloren gingen, weil mehrere „Lilien“-Spieler mit Corona-Infektionen ausfielen, so ist die Ausbeute noch erstaunlicher.
Das Darmstädter Publikum genießt nicht nur die ungewohnt komfortable Tabellensituation, sondern vor allem die Wandlung der Mannschaft unter Lieberknecht. Die letzte große Begeisterungswelle hatte Trainer Dirk Schuster mit dem Durchmarsch in die erste Liga ausgelöst, doch gegen seinen betonierten Sicherheitsfußball wirkt der Stil, mit dem das Team unter Lieberknecht spielt, wie eine Rückkehr zum schönen, zum ganzheitlichen Fußball. Ob auch er die „Lilien“ bis in die Bundesliga trägt, Lieberknecht und seine Spieler werden sich mit dieser Frage noch ein Weile herumschlagen müssen.
Auch personell haben die Darmstädter eine andere Richtung eingeschlagen als über viele Jahre üblich. Statt, wie lange praktiziert, andernorts ausrangierten Kämpfertypen eine zweite Chance zu geben, blickt der Sportliche Leiter Carsten Wehlmann nun auch perspektivisch in die Zukunft. Jüngstes Beispiel ist die Winter-Verpflichtung des 20 Jahre alten Stürmers André Leipold, der bislang für Wacker Burghausen in der Regionalliga spielte. Der als wendig und pfeilschnell beschriebene Angreifer hat einen Vertrag bis Ende Juni 2025 unterschrieben. „Wir begrüßen mit ihm einen weiteren hungrigen Spieler in unserem Kader“, sagte Wehlmann.