Start der Zweitliga-Saison : Sehnsuchtsziel Bundesliga
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Jubel und Trubel: Auf den Tribünen der zweiten Fußball-Bundesliga tut sich etwas Bild: picture alliance / dpa
An diesem Freitag startet die zweite Fußball-Bundesliga in die neue Saison. Die Spielklasse ist gesünder denn je. Doch es gibt weiterhin Hasardeure. Um ihre Ziele zu erreichen, gehen manche Vereine aufs Ganze.
Nach einer katastrophalen Saison, die fast in den Fußball-Gau geführt und die ganze Unternehmung des VfL Bochum schwer ins Wanken gebracht hätte, verbreiten die Klubverantwortlichen wieder Optimismus. Der große Retter, Trainer Peter Neururer, der den Klassenverbleib der Mannschaft noch auf den letzten Drücker schaffte, peilt jetzt den Aufstieg in die Bundesliga über einen Zweijahresplan an. „Bei allen Widrigkeiten, sehen wir uns als Fußballverein, der diesen stets trotzt, immer wieder aufsteht und nicht unterzukriegen ist“, sagt Vorstand Ansgar Schwenken auch mit Blick auf die Konkurrenzsituation unter den vielen Profiklubs im Ruhrgebiet.
Es war nie einfach für die Bochumer, sich zwischen den Platzhirschen der Region zu behaupten - Schalke 04, Borussia Dortmund, hinzu kommen im weiteren Umfeld noch andere Traditionsvereine mit größerem Potential. Dennoch ist der VfL in zwanzig Jahren, in denen er sechs Abstiege aus der Bundesliga hinnehmen musste, fünf Mal direkt wieder aufgestiegen. Nur diesmal ist der Verein hängengeblieben, konnte sich inzwischen aber konsolidieren und bei einem Schuldenstand von etwa sechs bis sieben Millionen Euro einen ausgeglichenen Etat vorlegen.
Die Bochumer haben damit bewiesen, dass auch unterhalb der Fußball-Luxusklasse in sportlich mageren Jahren eine gesunde Existenz möglich ist und die zweite Liga keine Liga der Verlierer ist, aus der man sich so schnell wie möglich nach oben verabschieden muss. „Auch wenn wir beim VfL Bochum der Überzeugung sind, dass wir in die Bundesliga gehören - ich bin auch ein Fan der zweiten Liga. Die lasse ich mir nicht schlechtreden“, sagt Schwenken. Er arbeitet seit siebzehn Jahren für Bochum und gehört zugleich dem Vorstand des Ligaverbandes an.
Das Bild der grauen zweiten Liga, in der nur weniger begabte Kicker nach dem Ball treten, hat sich gewandelt. Mit dem steigenden Renommee der Geldmaschine Bundesliga hat auch sie gewonnen. Zusammen mit der englischen Championship ist die Liga zwei mit einem Zuschauerschnitt von 17.000 pro Spiel die am besten besuchte zweite Fußballliga in Europa. Vertreter aus der Branche propagieren das Produkt gerne als „beste zweite Liga der Welt“.
Inzwischen hat sie sich mehr und mehr zu einem Ausbildungszentrum für den großen Fußball entwickelt. Die Lizenzierungsvorschriften mit den Vorgaben an die Talentförderung in den Klubs haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Etwa 70 Prozent der Zweitligaspieler sind Profis mit Spielberechtigung für die deutsche Nationalmannschaft - meist sehr jung. Mindestens vier Spieler müssen zu jedem Kader gehören, die aus dem eigenen Nachwuchs kommen. Bei Bochum sind es inzwischen acht. Gerade wurde der hochtalentierte Teenager Leon Goretzka für mehrere Millionen an Schalke verkauft. Auch so finanzieren die Vereine in der zweiten Reihe ihren Spielbetrieb.
Der zuständige Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), Andreas Rettig, lobt die Investitionsbereitschaft der Zweitligaklubs in junge Beine und die Infrastruktur. Der ehemalige Vereinsmanager, der den FC Augsburg mit in die Bundesliga brachte, sieht die Verantwortlichen in den Klubs insgesamt weitsichtiger wirtschaften. „Die Zahlen der vergangenen Jahre zeigen, dass die Management-Qualitäten in der zweiten Liga weiter zugenommen haben. Die Klubs schauen mehr auf ihre Nachhaltigkeit und riskieren nicht alles für den Aufstieg“, sagt Rettig.
Das mag sein. Der DFL-Mann bezieht sich auf die Vereinsbilanzen. Während in der Saison 2008/09 nur fünf Klubs der zweiten Liga ein positives Ergebnis vorweisen konnten, stieg dieser Anteil bis zuletzt auf zehn Vereine. Die Hasardeure sind wohl weniger geworden, doch weg sind sie nicht. Für das Sehnsuchtsziel Bundesliga wird immer noch aufs Ganze gegangen. Krasses Missmanagement beförderte den MSV Duisburg nun in die dritte Liga. Der langjährige Zweitligavertreter Alemannia Aachen ist pleite und rutschte in die Regionalliga ab. Den 1. FC Köln belastet ein riesiger Schuldenberg, der 1. FC Kaiserslautern kann seit Jahren nur mit zweifelhaften Finanzhilfen der Stadt die Stellung im Profifußball halten.
Auch viele Stadionprojekte, die der Vermarktung der Klubs förderlich sind, konnten nur durch Steuerzahlergeld umgesetzt werden. Zudem wird die zweite Liga durch die Bundesliga subventioniert. Die zwanzig Prozent aus der gemeinsamen TV-Vermarktung (ab dieser Saison rund 628 Millionen Euro pro Jahr) für die Zweitligaklubs entsprechen nicht ihrem Marktwert. Der liegt darunter.
Doch wie nirgendwo anders in Europa sehen sich hier Liga eins und zwei im gemeinsamen Boot. „Es muss ein finanzieller Ausgleich stattfinden, um den Leistungsunterschied zwischen den zwei Ligen nicht zu groß werden zu lassen. Eine starke zweite Liga schiebt die erste mit an und prägt auch ihr Erscheinungsbild mit“, sagt Schwenken. DFL-Geschäftsführer Rettig weist darauf hin, dass die „Solidarklammer dank des Entgegenkommens der Bundesligaklubs“ hält.
Großvermarkter wie die Firma Sportfive in Hamburg, die auch mit sechs Zweitligaklubs zusammenarbeitet, bestätigt das positive Bild. „Die zweite Liga hat extrem an Attraktivität gewonnen“, sagt Hendrik Schiphorst. „In anderen Ländern hat das Fußball-Unterhaus im Vergleich zu Deutschland kaum Relevanz. Das liegt vor allem an der guten Reichweite über das Fernsehen. Alle Spiele werden live übertragen, es gibt Zeitfenster im Free-TV wie das Montagsspiel oder auch die regelmäßige Berichterstattung in der ARD-Sportschau.
Beim Kampf um Sponsoren ist die zweite Liga dadurch gegenüber anderen Profiligen im Eishockey, Handball oder Basketball im Vorteil, die meist nur im regionalen Werbebecken fischen. Dennoch ist die Akquise nicht einfach. Es bleibt für die Zweitligaklubs eben doch ein großer Nachteil bestehen: „Man kämpft nicht nur gegen die direkte Konkurrenz, sondern auch um Sponsoren, die als Alternative in der Bundesliga einen Platz in der zweiten oder dritten Reihe einnehmen können“, sagt Schwenken.