Pierre-Emerick Aubameyang : Spiderman mit Raketenantrieb
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Hoch hinaus: Neuzugang Aubameyang betrachtet Dortmund als Sprungbrett für eine Weltkarriere Bild: Huebner/Scheuring
Vollgas-Fußball bei Borussia Dortmund: Pierre-Emerick Aubameyang ist einer der schnellsten Angreifer der Welt. Der Paradiesvogel soll seinem neuen Klub helfen, noch mehr Tempo aufzunehmen.
Seit Jürgen Klopp die Fußballprofis von Borussia Dortmund trainiert, gehört hohes Tempo zu den Markenzeichen der Mannschaft. Der Fußball-Lehrer ist einst mit dem Anspruch angetreten, dem Publikum „Vollgasveranstaltungen“ zu bieten. Das war und ist der Fußball seiner Wahl. Besonders gefragt sind also Spieler, die nicht nur hervorragend kicken können, sondern auch schnell unterwegs sind auf dem Rasen.
Mittelfeldspieler Sven Bender, ein Mann für die Langstrecke, ist von Arbeitskollegen wie Marco Reus, Jakub Blaszczykowski oder Robert Lewandowski einen schnellen Antritt gewohnt, wenn das Spiel nach vorn Fahrt aufnimmt. Doch als vor kurzem ein neuer Sprinter zur Mannschaft stieß, geriet sogar Bender ins Staunen. „So was wie ,Auba‘ habe ich noch nicht oft gesehen“, sagte er.
„Auba“ ist die Kurzform von Aubameyang - so heißt der neue Angreifer, der für vierzehn Millionen Euro Ablöse vom französischen Klub AS St.-Etienne zum BVB gewechselt ist. Die anderen Offensivkräfte seien schon pfeilschnell, sagt Bender, aber Pierre-Emerick Aubameyang „legt noch mal ein kleines Stück drauf“.
Auf den ersten dreißig Metern ist der 24 Jahre alte Fußballspieler fast so schnell wie Usain Bolt, der Weltrekordinhaber über hundert Meter. „Ich war schon als Kind sehr schnell“, sagt Aubameyang. Dazu hat er gelernt, sich den Ball zum Freund zu machen und so die Grundlage für eine Karriere im internationalen Fußball zu schaffen. Bei St.-Etienne gelang ihm vor zwei Jahren der Durchbruch.
In der Torschützenliste der „Ligue1“ belegte Aubameyang den zweiten Platz hinter dem schwedischen Weltklassestürmer Zlatan Ibrahimovic vom französischen Meister Paris St.-Germain. „Er ist wohl der schnellste Spieler, den der Fußball derzeit zu bieten hat. Zudem ist er kaltschnäuziger vor dem Tor geworden“, sagt Gernot Rohr, der Aubameyang einst als Trainer der Nationalmannschaft Gabuns angeleitet hat.
Wenn alle BVB-Angreifer fit und in Form sind, dürften zunächst Einwechslungen dem Ankömmling eine Chance bieten. An etablierten Profis wie Reus und Blaszczykowski ist schwer vorbeizukommen, wenn es darum geht, einen Platz in der Startelf zu ergattern. Andererseits eröffnen Spieler der Kategorie Aubameyang dem Trainer die Möglichkeit, häufiger rotieren zu lassen als in der zurückliegenden Spielzeit, ohne dass ein Qualitätsverlust zu befürchten wäre.
Der Angreifer ist flexibel und talentiert genug, verschiedene Rollen zu bekleiden. Er kann auf beiden Außenpositionen spielen und auch in der Spitze. Tempo, Tricks und Tore bilden die technische Seite seines Wirkens. Bei seinem DFB-Pokal-Debüt vergab „der Mann mit dem Raketenantrieb“, wie die „Westdeutsche Allgemeine“ ihn beschreibt, jedoch reihenweise Chancen. War nicht schlimm, der BVB gewann trotzdem beim SV Wilhelmshaven 3:0.
Doch dem in Frankreich geborenen Afrikaner ist auch ein gewisser Hang zur Show zu eigen: Er trägt einen Irokesenschnitt, dazu manchmal Fußballschuhe, die mit Swarovski-Steinen besetzt sind und mehr als dreitausend Euro kosten. Wie auf dem Platz, so ist Aubameyang auch auf der Straße gern einer der Schnellsten; er fährt Ferrari oder Aston Martin, vorzugsweise mit mehr als fünfhundert PS. Und Tore bejubelt er zuweilen mit einer Spiderman-Maske, alles sehr zur Freude des Boulevards.
Ein neureicher Prolet also - könnte man meinen. Menschen, die ihn länger kennen, halten das für ein Klischee, das zu kurz greift. Gewiss: Aubameyang stellt gern zur Schau, was er kann und was er hat. Aber er macht es aus purer Lebensfreude, nicht um andere in den Schatten zu stellen. „Er ist ein extrovertierter Mensch und manchmal verrückt“, sagt Rohr. Auf dem Platz und innerhalb der Mannschaft sei Aubameyang jedoch „ein guter Junge, ein netter Kerl, kein Aufschneider oder Angeber“.
Der Fußball hat Aubameyang früh in die Lage versetzt, sich Kindheitsträume zu erfüllen, die viel Geld kosten. Es macht ihn stolz, sich als Sohn von Einwanderern durchgebissen zu haben im Leben und im Fußball-Leben. Sein Vater, der mit fünfzehn Jahren aus Gabun nach Frankreich ausgewandert ist, brachte ihm bei, dass Wohlstand harte Arbeit erfordert.
Auch in Italien, beim AC Mailand, hat Pierre-Emerick Aubameyang schon als Teenager viel gelernt, aber nicht den Sprung in die erste Mannschaft geschafft; als Leihspieler vermochte er sich weder in Dijon noch in Lille, noch in Monaco durchzusetzen.
Erst beim AS St.-Etienne wusste er vollauf zu überzeugen. Der Klub verpflichtete ihn fest und profitierte vom Aufstieg Aubameyangs: erst sportlich (neunzehn Tore und vierzehn Vorlagen in der vergangenen Saison) und dann, beim Weiterverkauf nach Dortmund, finanziell.
Beim BVB, der zurück in den feinen Kreisen Europas ist, fühlt der raketengetriebene Spiderman im Ferrari sich gut aufgehoben. Wie Götze, Kagawa oder Lewandowski betrachtet er Dortmund offenbar als Sprungbrett für die Weltkarriere, die sein früherer Trainer Rohr ihm zutraut. „Als ich hörte, dass der BVB Interesse hat, war ich sofort Feuer und Flamme“, sagt Aubameyang.
„Das ist ein großer Klub, der mir helfen kann, ein großer Spieler zu werden.“ Fürs Erste aber soll und will der Paradiesvogel den Borussen, die am Samstag (15.30 Uhr / Live im Bundesliga-Ticker bei FAZ.NET) in Augsburg in die neue Saison starten, helfen, noch schneller zu werden. Wie bestellt wirkt da auf dem Trainingsgelände eine Werbebande mit der Aufschrift „Vollgas!“.