https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/nils-petersen-abschied-vom-sc-freiburg-nach-achteinhalb-jahren-18909172.html

Petersen-Abschied in Freiburg : „Alle lieben den Nils“

  • -Aktualisiert am

Die Endgültigkeit des Abschieds wird ihm wehtun, sagt Nils Petersen. Bild: dpa

Nach achteinhalb Jahren verlässt Nils Petersen den SC Freiburg. Trainer, Mitspieler und Fans werden emotional. Das liegt nicht nur an Petersens langer Zeit im Breisgau und den vielen Toren für den Verein.

          3 Min.

          Nicht nur Christian Streich hatte Tränen der Rührung in den Augen, während er dieses Meisterwerk des Fußballkitsches betrachtete, den das Duell des SC Freiburg mit dem VfL Wolfsburg am Freitagabend hervorbrachte. Der 2:0-Erfolg der Freiburger war ebenfalls bedeutsam, mit diesem Ergebnis hat der Sportclub seine Chancen auf eine Teilnahme an der kommenden Champions-League-Saison gewahrt.

          Doch diese Aussicht auf den größten Erfolg der Klubgeschichte trat in den Hintergrund, als Nils Petersen in der 75. Minute seinen rechten Fuß an den Ball brachte und seinen ersten Saisontreffer erzielte. Der 34 Jahre alte Torjäger bestritt sein allerletztes Heimspiel für den badischen Fußball-Bundesligaklub, der in den vergangenen achteinhalb Jahren zu seiner Heimat geworden ist.

          Er war vor der Partie geehrt und während des gesamten Abends mit Liebe überschüttet worden. „Niemand ist größer als der Verein, aber du warst verdammt nah dran“, stand auf einem riesigen Banner vor dem Freiburger Fanblock. Nun hatte „de Nils“, wie alle hier zu dem in Wernigerode geborenen Petersen sagen, noch einmal ein Tor geschossen. „Ich hätte das Drehbuch genauso geschrieben“, sagte der Stürmer.

          Petersen, der zwar in 277 Partien für den SC Freiburg 105 Tore erzielte und damit Joachim Löw als Rekordtorschützen des Klubs überflügelte, hatte in dieser Saison nur einmal im DFB-Pokal und einmal in der Europa League getroffen. Wenn er mal eingewechselt wurde, konnte jeder aufmerksame Beobachter ganz gut sehen, dass er zunehmend Mühe mit der Intensität des gehobenen Bundesligafußballs hat. Weil er älter geworden ist und weil die Freiburger mittlerweile konstant auf einem Niveau spielen, wo Petersen auch als junger Spieler nie selbstverständlich zu Hause war.

          „Anerkennung bekommt er völlig zurecht“

          Aber in Freiburg ist er eine Legende, weil er so viele Tore geschossen hat und weil er trotz anderer Angebote nach dem Abstieg 2015 mit in die zweite Liga ging. „Die Anerkennung bekommt er völlig zu Recht. Der Nils war über Jahre dem Verein treu, er hätte bestimmt mal ein anderes Angebot annehmen können“, sagte Kapitän Christian Günter, der andere Torschütze der Partie.

          Zumal Petersen nicht nur als Fußballprofi bedeutsam war, er ist auch als Persönlichkeit zu einem prägenden Faktor des Freiburger Erwachens vom ewigen Abstiegskandidaten zu einem etablierten Bundesligaverein mit Europapokalambitionen avanciert. 2016, als er im Finale um die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen einen entscheidenden Elfmeter verschoss, sprach er in einem Interview über einige Schattenseiten des Profilebens. „Die Fußballbranche ist oberflächlich, und wir Fußballer sind nicht so belesen“, sagte er im „Focus“: „Salopp gesprochen, verblöde ich seit zehn Jahren, halte mich aber über Wasser, weil ich ganz gut kicken kann.“

          „Ich hätte das Drehbuch genauso geschrieben“, sagt „de Nils“ zum Abschied
          „Ich hätte das Drehbuch genauso geschrieben“, sagt „de Nils“ zum Abschied : Bild: dpa

          Das hat große Wellen geschlagen, dumm ist Petersen keinesfalls. „Diese Schläue und diese Technik bei Nils sind unfassbar. Er trifft fast immer die richtigen Entscheidungen“, sagte Streich am Freitag: „Alle Spieler sollen sich ein Beispiel an Nils nehmen. Er ist ein Vorbild. Es ist nicht immer nur der eine Weg, den es gibt. Das ist alles kein Zufall. Alle lieben den Nils.“

          Zwischen dem Trainer und dem Torjäger ist eine innige Verbindung entstanden, denn die meisten anderen Profis hätten irgendwann das Weite gesucht, wenn sie mit einer derart guten Torquote doch meist nur Ersatzspieler gewesen wären. Streich wollte in vielen Phasen der Zusammenarbeit zu Beginn der Spiele lieber intensiver gegen den Ball arbeitende Stürmer auf dem Platz haben; wenn die Verteidiger dann müde gelaufen waren, kam Petersen und nutzte die Vorarbeit für seine vielen Jokertore, die ihm eine besondere Aufmerksamkeit in der Bundesliga bescherten. Mit 34 Treffern als Einwechselspieler führt er diese spezielle Statistik mit riesigem Vorsprung vor Claudio Pizarro an, der auf 21 solcher Tore kommt.

          Am Freitag bejubelten die Freiburger sogar noch einen zweiten Treffer Petersens. Aber der Videoassistent annullierte den Treffer wegen eines sehr kleinen und eigentlich irrelevanten Fouls in der Entstehung. Das war der einzige Fehler im Drehbuch, der am Ende aber niemanden mehr störte. Petersen feierte nach dem Schlusspfiff lange vor der Südtribüne mit den Fans, nahm sich viel Zeit für Gespräche mit Journalisten, bevor er später noch zu einer Party zu sich nach Hause einlud.

          Zwischendurch wurde der herrliche Kitsch sogar noch mit einer ordentlichen Portion Melancholie veredelt, die dringend dazugehört zu so einem Rührstück. „Diese Endgültigkeit tut immer weh“, sagte Petersen, „es sind die Menschen, mit denen man das verbindet. Und die werden nicht mehr täglich bei mir sein. Das ist das, was schade ist.“ Diese Trübnis teilte er mit Streich, der „nicht weiß, wie es sein wird in der Kabine ohne ihn“, und der sagte: „Wir werden in ganz enger Verbindung bleiben, vom Herz her einfach.“

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Viel fordern, viel kriegen: Selenskyj am Donnerstag auf dem Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Moldau

          Beistand für die Ukraine? : Die rote Linie der NATO

          Selenskyj hat die Erfahrung gemacht, dass er weit kommt, wenn er von seinen Unterstützern viel verlangt. Sicherheitsgarantien des Westens wird die Ukraine aber nicht so bald bekommen.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.