HSV : Gisdol verweigert den Schmusekurs
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Was wollt Ihr? HSV-Trainer Markus Gisdol bleibt sich treu Bild: dpa
Nach dem Debakel in München liegt der Fokus beim HSV trotz des Pokal-Viertelfinals gegen Mönchengladbach auf dem Abstiegskampf. Mit diesem Argument zögert Trainer Gisdol Vertragsgespräche hinaus. Will er den Hamburger Weg überhaupt mitgehen?
Seine Haltung zu den Dingen des Fußball-Lebens, die er ohnehin nicht mehr ändern kann, hilft ihm auch in diesen Tagen wieder. Markus Gisdol ist Pragmatiker durch und durch. Was weg ist, wie der von ihm aussortierte Abwehrspieler Emir Spahic, ist weg. Gisdol beschäftigte sich vom Tag seiner Ausbootung an nicht mehr mit ihm. Es gibt einige solcher Beispiele aus dem knappen halben Jahr Gisdols in Hamburg. Erst spielte Adler im Tor, dann Mathenia, dann wieder Adler. Viele erklärende Worte verlor Gisdol nicht.
So gilt es als ausgemacht, dass an diesem Mittwoch (18.30 Uhr/ live in Sky und F.A.Z.-Liveticker) im Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Mönchengladbach wieder Kyriakos Papadopoulos neben Mergim Mavraj im Deckungszentrum auflaufen wird - wenn es seine Schulter zulässt. Johan Djourou ist für Gisdol nur Ersatz. Das sieht man. Das muss er nicht groß erläutern.
Auf Schmusekurs ist der 48 Jahre alte Fußball-Lehrer in Hamburg gewiss nicht unterwegs. Gisdol wolle sich am liebsten nur um Fußball, nur um die Mannschaft kümmern, heißt es aus seinem Umfeld. Wie er dabei in der Öffentlichkeit wegkommt, scheint ihm relativ gleichgültig.
Natürlich musste er sich mit der bitteren 0:8-Niederlagen von München beschäftigen. Bis Montag. Dann sagte er: „Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen, das Erlebnis schnell abzuschütteln.“ Ihm dürfte das schon am Samstagabend um 17.25 Uhr gelungen sein. Gisdol weiß, welch wankelmütige Truppe er übernommen und nach seinen Vorstellungen verändert hat. „In unserer Situation wird es immer wieder Rückschläge geben“, hatte er schon nach dem peinlichen 1:3 in Ingolstadt gesagt, „das ist doch klar, wenn man sieht, wie die letzten Jahre hier gelaufen sind.“
Jetzt klingt es ähnlich: „Wir haben heftige Rückschläge oft sehr schnell verarbeitet.“ Anfang der Woche half Team-Psychologe Christian Spreckels dabei. Gisdol hatte ihn Ende Oktober für „offene Gesprächsangebote“ hinzugeholt. Wer wollte, konnte die Bayern-Pleite also thematisieren. Für mehr Analyse war keine Zeit - das wäre auch gar nicht nach Gisdols Geschmack gewesen: „Es gab genug negative Momente, die den Spielern weh getan haben. Es macht keinen Sinn, die noch zu verstärken.“ Auch hier wieder: Flucht nach vorn. Sinnvoll in einer Phase mit drei Heimspielen gegen Mönchengladbach, Hertha BSC am Sonntag und dann sieben Tage später wieder Gladbach.
Fokussierung auf den Moment
Es ist ganz allgemein von Vorteil, wenn man als Trainer des HSV nicht zu viel Energie mit Vergangenem verschwendet, den Rückblick anderen überlässt und nur im Hier und Jetzt lebt. Gisdol signalisiert stets, dass es beim HSV so viel zu tun gebe, dass er sich nicht auch noch mit den Schatten der Vergangenheit auseinandersetzen könne. Damit wirkt er allen Spekulanten entgegen, die nach Erfolgsmomenten von vergangener Größe träumen.
Für ihn geht diese absolute Fokussierung auf den Moment und das nächste, maximal die nächsten beiden Spiele so weit, dass er sogar Verhandlungen in eigener Sache beiseiteschob.
Gisdol hat sich gefreut, dass der Verein in Sachen Vertragsverlängerung auf ihn zugegangen ist. Er spürt das Vertrauen, trotz München, trotz Rang 16. Aber er hat vor einer Woche geantwortet: „Ich habe dem Verein signalisiert, dass wir über das Thema sprechen können. Aber es hat für mich nicht oberste Priorität. Das Wichtigste ist, dass wir uns durch die Vertragsgespräche nicht ein Prozent ablenken lassen.“
Es schien mutig, dass Gisdol seinen Vertrag mit dem HSV im vergangenen September nur bis zum Ende dieser Saison abschloss. Nachvollziehbar ist, dass er jetzt abwartet. Es geht ihm neben der Konzentration auf den Abstiegskampf auch darum, welche Richtung Vorstand Heribert Bruchhagen ansteuern wird. Bruchhagen hat einen notwendigen Sparkurs angekündigt. Da geht es vor allem um die immensen Kaderkosten. In Zukunft soll jung und günstig statt namhaft und teuer das Motto sein. Ob Gisdol diesen Weg mitgehen wird, ist eine spannende Frage.