Nagelsmann antwortet Neuer : „Ich hätte das Interview nicht gegeben“
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Sportlich wieder erfolgreich: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann Bild: AFP
Vor dem Bundesligaspiel in Wolfsburg äußert sich auch Julian Nagelsmann zur Kritik von Manuel Neuer. Danach legen die Münchner furios los und siegen. Nur Joshua Kimmich verlässt schimpfend den Platz.
Auch Trainer Julian Nagelsmann sieht die Aussagen von Manuel Neuer in zwei Interviews und den resultierenden Wirbel beim FC Bayern kritisch. „Ich aus meiner Perspektive hätte das Interview nicht gegeben, erst recht, wenn im selbigen zu lesen ist, dass der Klub im Vordergrund steht“, sagte Nagelsmann bei DAZN vor der Partie der Münchner beim VfL Wolfsburg am Sonntag. „Natürlich trägt das nicht gerade zur Ruhe bei, es geistert durch die Gazetten und es beschäftigt ganz Fußball-Deutschland.“
Nagelsmann berichtete, dass er Neuer die Trennung von Torwarttrainer Toni Tapalovic „weit vor dem Interview“ unter anderem unter vier Augen erläutert habe, dies sei „ein gutes Gespräch“ gewesen. „Den Weg, den ich gewählt habe, es nicht öffentlich zu machen, ihm die Gründe zu nennen, warum es zu der Trennung kam, war in meinen Augen der richtige“, betonte der Coach. „Generell ist bei mir immer so, ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch, meine Tür ist nie geschlossen, auch wenn ich einen anderen Weg gewählt hätte.“
Neuer hatte im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ und von „The Athletic“ die Klubführung des Rekordmeisters für die Trennung von Tapalovic verbal angegriffen. Das sei „das Krasseste“ gewesen, was er in seiner Karriere erlebt habe, sagte der mit einem Beinbruch noch lange fehlende Neuer. „Für mich war das ein Schlag, als ich bereits am Boden lag. Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen.“ Bayern-Chef Oliver Kahn hatte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur „deutliche Gespräche“ mit Neuer angekündigt.
Kimmich fliegt mit Gelb-Rot vom Platz
Die Frage, ob Neuer bei der Rückkehr nach einem Beinbruch noch Kapitän sei, beantwortete Nagelsmann nicht konkret. „Manu soll wieder fit werden, auch den Spaß am Fußball wieder haben, es ist keine leichte Phase. Generell habe ich immer betont, er ist der beste Torwart der Welt, ich hoffe, dass er gesund zurückkommt, alles andere ist Zukunftsmusik“, sagte der Trainer vor der Partie.
Mitten in der ersten Halbzeit, als es 3:0 für sein Team stand, rannte Nagelsmann an der Außenlinie entlang. Für ein paar Meter sah es tatsächlich so aus, als wollte sich der Chefcoach des FC Bayern dem Laufweg von Mittelfeldspieler Kingsley Coman anschließen. Gemessen an der Einsatzfreude des Trainers und der Laufbereitschaft seiner Mannschaft darf nach dem 19. Spieltag der Fußball-Bundesliga festgehalten werden: Der FC Bayern ist in seinen Normalmodus zurückgekehrt. Rund um den hart umkämpften 4:2-Erfolg beim VfL Wolfsburg kam nichts in Sicht, das nach einer grundlegenden Formschwäche oder atmosphärischen Störungen aussah. Der Tabellenführer funktionierte wie ein Tabellenführer – und geriet trotz eines Platzverweises von Joshua Kimmich in der 54. Spielminute nur kurz außer Tritt.
Wenn Kimmich schimpfend den Platz verlässt und vorzeitig die Umkleidekabine aufsuchen muss, hat der Gegner des FC Bayern in der Regel etwas richtig gemacht. Trotz eines frühen Rückstandes durch zwei Treffer von Coman (9./14. Minute) und eines Kopfballtors von Thomas Müller (19.) schaffte es der VfL Wolfsburg, sich in seiner schwierigen Aufgabe festzubeißen. Der frühere Bayern-Trainer Niko Kovač hatte sich mit den Niedersachsen vorgenommen, mithilfe von viel Ballbesitz, einer Sonderbehandlung für Kimmich und mutigen Vorstößen den hohen Favoriten zu ärgern.
„Vorne ins Gesicht“ – mit dieser Formulierung hatte Kovač beschrieben, wo und wie sein Team Wirkungstreffer erzielen sollte. Es blieb unter dem Strich beim frechen Rempler. Mehr Wucht konnte der VfL nicht entfalten, auch wenn sich in Überzahl noch sehr gute Möglichkeiten zu einem dritten Treffer ergaben. Dass Kimmich wegen wiederholten Foulspiels des Feldes verwiesen wurde, brachte die Münchener in Verlegenheit. „Wir haben gewonnen“, sagte Kimmich, „das gibt am Ende des Tages am meisten Ruhe.“
Richtig gut am Auftritt des FC Bayern war dessen Kombinationsspiel. Immer wieder ließen Leroy Sané, Alphonso Davies oder Jamal Musiala die Wolfsburger Profis mithilfe direkter Pässe ins Leere laufen. Und der Druck der Münchener zwang ihren Gastgeber früh zu einem grundlegenden Umdenken. VfL-Vordenker Kovač nahm beim Spielstand von 0:3 nach nur 30 Minuten seinen Verteidiger Maxence Lacroix vom Platz, um aus einer überforderten Dreierkette einen stabilisierenden Vierer-Abwehrverbund zu basteln.
Die Umstellung bremste das ständige Anrennen des FC Bayern. Dass der eingewechselte Jakub Kaminski kurz vor der Halbzeitpause das 1:3 erzielen konnte, war ein Teilerfolg. So blieb es im mit 30.000 Zuschauern ausverkauften VfL-Stadion munter. Bayern-Kapitän Müller stufte das Spiel hinterher als ein echtes Stück Arbeit ein. „Und das 4:2 war enorm wichtig“, gestand der Nationalspieler.
Der schönste Moment eines kurzweiligen Fußballspiels blieb einem Ausnahmekönner vorbehalten. Insgesamt fünf Wolfsburger schaffen es nicht, den durch das Mittelfeld dribbelnden Musiala empfindlich zu stören. Der Nationalspieler setzte sich in der 73. Minute dank seines hohen Tempos und seiner engen Ballführung gekonnt durch. Mit seinem Treffer zum 1:4 war die Vorentscheidung gefallen.
Als Musiala kurz nach seinem Treffer ausgewechselt wurde, nahm ihn Nagelsmann in die Arme und signalisierte durch mehrere Klapse Zustimmung zu einer guten Leistung. Der Ärger darüber, dass der Wolfsburger Mattias Svanberg mit dem 2:4 das letzte Tor des Abends schießen durfte, hielt sich in Grenzen. Nagelsmann ballte mit dem Schlusspfiff erleichtert und zufrieden die Faust. Aus dem Gästefanblock war sofort das übliche „Deutscher Meister wird nur der FCB“-Liedgut zu hören. War da also zuletzt irgendetwas Störendes?