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Trainer Christian Titz : Der Mann, der dem HSV neuen Mut macht

  • -Aktualisiert am

Mutmacher im Abstiegskampf: Christian Titz. Bild: dpa

Noch vor kurzem ließen Chaoten ihren Frust über den Niedergang des Hamburger SV an den Profis aus. Nun steht der Abstieg kurz bevor – und die Stimmung ist plötzlich viel besser. Wie kann das sein?

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          Noch vor vier Wochen standen Kreuze am Trainingsgelände, die Spieler wurden bedroht, im Stadion und später beim Üben. Einige Chaoten ließen ihren Frust über den bevorstehenden Abstieg des Hamburger SV an den Profis aus – mit äußerst geschmacklosen Aktionen. Die Stimmung aber hat sich gedreht. Am Himmelfahrtstag jubelten 2000 Fans der Mannschaft und Trainer Christian Titz beim Training zu. Wo andere Abstiegskämpfer sich eingeschlossen hätten, genoss der HSV das Bad in der Menge. Was bemerkenswert ist, weil sich tabellarisch bis auf ein Fünkchen Hoffnung nicht viel verändert hat. Nur wenn der HSV an diesem Samstag gegen Borussia Mönchengladbach gewinnt (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Bundesliga und bei Sky) und der VfL Wolfsburg gegen Köln verliert, dürfen die Hamburger am 17. und 21. Mai in der Relegation gegen Holstein Kiel um den Verblieb in der Bundesliga kämpfen.

          Bundesliga

          Aber es gibt neuerdings wieder die Aussicht auf ein Leben danach – ein Leben nach dem Abstieg, und zwar mit dem Trainer, der in elf Wochen als Chef einiges bewegt hat. Es gebe noch Detailfragen zu beantworten, hieß es vom HSV. Klar sei aber, dass Christian Titz einen Zweijahresvertrag als Cheftrainer vom 1. Juli an bekomme und auch im Falle des ersten Abstiegs weitermachen werde. Titz, 47 Jahre alt, wirkt authentisch, er ist beliebt bei den Fans, und er hat den Großteil der Mannschaft und die entscheidenden Verantwortlichen davon überzeugt, dass mit Ballbesitzfußball etwas zu erreichen ist. Vor allem Alleinvorstand Frank Wettstein und Bernhard Peters, der Direktor Sport, waren vom ersten Tag an seine Unterstützer. Als unentschlossen galt Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann. Doch am Donnerstag entschieden sich Hoffmann und Wettstein nach Gesprächen mit Titz’ Berater Marcus Noack dann, aus dem Interimstrainer, der aus der eigenen U21 gekommen war, den neuen Cheftrainer bis 2020 zu machen.

          Natürlich sollte das auch ein Signal sein, noch mal einen Schub geben für das Saisonfinale. Aber auch darüber hinaus ist eine wichtige Planstelle jetzt besetzt. Allerdings geht die Vereinsführung mit dieser Entscheidung ins Risiko. Denn der HSV sucht weiterhin nach einem Sportvorstand. Und hätte er nicht mit der Beförderung des Trainers warten müssen, bis klar ist, wer die wichtigste Führungsposition bekleidet? Wer auch immer jetzt kommt, wird „seinen“ Trainer nicht mitbringen können, sondern muss mit Titz arbeiten. Was ja grundsätzlich kein Problem sein muss. Alles in allem ist dies aber ein überschaubares Risiko. Der Verein kennt Titz. Peters etwa arbeitet schon seit dreieinhalb Jahren mit ihm an einem aktiven, attraktiven Spielstil mit viel Ballbesitz. Und Titz war mutig, warf Mavraj, Hahn, Diekmeier und Wallace aus der Mannschaft, holte Holtby aus der Versenkung und die Youngster Steinmann sowie Ito dauerhaft ins Team. Der Fußball ist besser geworden, wenn auch die Niederlagen in Hoffenheim und Frankfurt die Grenzen des Wachstums zeigten. Titz lässt seinen mutigen Stationen-Fußball jeden Tag üben. Aber ein wirklich torgefährlicher Stürmer fehlt ihm.

          Bundesliga

          Mancher Kritiker der Entscheidung vom Donnerstag fühlte sich an Hannover 96 im April 2016 erinnert. Die „Roten“ waren so gut wie abgestiegen, als Daniel Stendel von Thomas Schaaf übernahm. Stendel stabilisierte die Elf auf niedrigem Niveau, konnte den Abstieg nicht verhindern und wurde zum Cheftrainer befördert. Im März 2017 entließ Hannover 96 ihn. Allerdings ist Titz vom Auftritt und der Erfahrung her ein anderer Typ als der stille Stendel. Dass es nach einem Abstieg mit einem Trainer, der für bessere Stimmung gesorgt hat, nicht dauerhaft besser laufen muss, sieht man am Beispiel Stendel gleichwohl. Dennoch fühlen sie sich beim HSV gut aufgestellt für den letzten Spieltag – und darüber hinaus. Krawalle im Stadion werden nicht befürchtet. Einen möglichen Abstieg erhobenen Hauptes hätte man sich vor drei Monaten noch nicht vorstellen können. Es ist auch das Verdienst von Titz, das Verhältnis zwischen Fans und Spielern befriedet zu haben.

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