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„Wir kriegen es nicht hin“ : Die verräterischen Zeichen des Zerfalls bei Hertha BSC

  • -Aktualisiert am

Bediente Berliner: Hertha BSC um Maximilian Mittelstädt konnte Eintracht Frankfurt nichts entgegensetzen. Bild: Imago

Fehlerhaft und leblos: Hertha BSC präsentiert sich beim 1:4 gegen Eintracht Frankfurt wie ein Absteiger. Trainer Tayfun Korkut darf zwar vorerst bleiben, doch die Stimmung wird spürbar schlechter.

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          Am Sonntagvormittag verschickte die Medienabteilung von Hertha BSC eine Nachricht, die vor Routine nur so strotzte, inhaltlich aber eine nicht unwesentliche Erkenntnis transportierte. Es handelte sich um den Wochenplan, eine Auflistung von Trainingszeiten sowie Pressegesprächen, und siehe da, alle Termine waren mit Tayfun Korkut als Trainer angegeben.

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          Das kam für den einen oder anderen Beobachter dann doch überraschend, hatten diverse Medien der Hauptstadt doch zumindest in Betracht gezogen, dass Korkut nach dem 1:4 gegen Eintracht Frankfurt nur noch kurz auf der Geschäftsstelle vorbeischauen könnte, um persönlich über seine Entlassung informiert zu werden.

          Dem war nicht so, Herthas Trainer bleibt nach dem desaströsen Auftritt weiter im Amt und soll die Mannschaft auch am Samstag in Mönchengladbach betreuen, wenn für die Berliner ein weiteres wichtiges Spiel gegen einen direkten Konkurrenten im Kampf gegen den Abstieg ansteht. „Ich bin sauer, ich bin enttäuscht. Als Hauptverantwortlicher kann ich null Komma null zufrieden sein“, hatte Korkut im Anschluss an die Niederlage gegen Frankfurt gesagt, die sechste in den vergangenen sieben Pflichtspielen.

          Fans singen: „Absteiger, Absteiger“

          Damit war der Trainer nicht der Einzige, der mit negativen Gefühlen zu kämpfen hatte. Herthas Anhängerschaft hatte ihren Gemütszustand schon während des Spiels offensiv vorgetragen. Mit Liedgut, das zum Standardrepertoire in Krisenzeiten gehört. Klassiker wie „Wir ha’m die Schnauze voll“ und „Wir woll’n euch kämpfen sehen“ wurden ebenso inbrünstig zum Besten gegeben wie der Vorschlag zum Trainerwechsel („Korkut raus“). „Für mich ist das normal, das gehört dazu. Ich kann das ab“, sagte Korkut.

          Freilich mochte es nicht das erste Mal während seiner Karriere gewesen sein, dass Teile des Publikums ihn aus dem Stadion wünschten, auf so manchen von Korkuts Spielern wirkte die Radikalität der Fans und deren düstere Zukunftsprognose („Absteiger, Absteiger“) verstörend. „Ich fand es erschreckend, dass die eigenen Fans ‚Absteiger‘ rufen. Das ist nicht schön, und das ist auch nicht der Weg, wie wir als Verein gehen müssen. Die Fans müssen uns pushen“, sagte Marc-Oliver Kempf in laufende Fernsehkameras.

          Kempf ist noch nicht lange in Berlin, er kam zur Winterpause vom VfB Stuttgart, der Hertha in der Tabelle nun im Nacken sitzt. Ein einziger Punkt trennt die Berliner noch von einem direkten Abstiegsplatz, anders als bei den meisten Konkurrenten verläuft Herthas Trend aber deutlich negativ. In diesem Kalenderjahr hat die Mannschaft überhaupt noch kein Spiel gewinnen können, dazu kommt das schmerzhafte Pokal-Aus im eigenen Stadion gegen den Stadtrivalen Union. Insgesamt hat Korkut seit seiner Ankunft im November nur neun Punkte aus zwölf Spielen geholt. Macht im Schnitt 0,75 pro Spiel. Selbst Friedhelm Funkel war in der Saison 2009/10 erfolgreicher, damals stieg Hertha ab.

          Eine Trainerdiskussion versuchte Sportchef Fredi Bobic bisher im Keim zu ersticken, erst in der vergangenen Woche hatte er Korkut das Vertrauen ausgesprochen. Aber die Situation wird immer schwieriger. Gegen Frankfurt zeigte die Mannschaft die typischen Zerfallserscheinungen eines Absteigers. Hertha machte die Hessen, die in den vergangenen drei Spielen weder Punkte noch Tore verzeichnen konnten, von Beginn an mit eklatanten Fehlern stark. In den einzelnen Mannschaftsteilen überboten sich die Spieler mit schlampigen Pässen, der Rückstand war nur eine Frage der Zeit. Vor allem die Innenverteidiger Dedryck Boyata und Kempf erwischten einen gebrauchten Tag. „Wir waren sehr unruhig am Ball und haben die Eintracht zu Torchancen eingeladen mit unseren Fehlpässen“, sagte Korkut.

          Wutausbruch von Kempf

          Beim 0:1 durch Ansgar Knauff machten sich gleich mehrere Berliner der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, beim 0:2 von Tuta war es das Gleiche. Vor dem dritten Frankfurter Tor durch Jesper Lindström spielte Herthas Torwart Marcel Lotka dem Torschützen den Ball direkt in den Fuß, und beim 1:4 von Rafael Borré gab die Verteidigung nicht mehr als Geleitschutz. Bezeichnend war, dass der vierte Treffer der Frankfurter nur wenige Augenblicke nach dem Anschluss durch Davie Selke fiel, just in dem Moment, als aus Berliner Sicht so etwas wie Hoffnung aufkam.

          Selke zeigte später Verständnis für den Unmut des Publikums. „Die Fans dürfen gerne Dampf ablassen. Wir wissen selbst, dass wir kämpfen müssen, kriegen es aber nicht hin“, sagte der Stürmer. Es lässt tief blicken, dass auch Selkes Mitspieler Kempf einem Teil der Mannschaft den Kampfgeist absprach. „Jeder hier muss angekotzt genug sein, um sich den Arsch aufzureißen und drei Punkte mit nach Hause zu nehmen. Das muss jeder verstehen und nicht nur larifari hier rumlaufen und sich wieder 4:1 wegschießen lassen“, sagte Kempf.

          Bereits am vergangenen Wochenende hatte Bobic öffentlich über Defizite in den Bereichen Einstellung und Leidenschaft gesprochen. Das ist allein deshalb interessant, weil Bobic kurz nach seiner Ankunft Stützen wie Matheus Cunha, Dodi Lukebakio oder Jhon Cordoba unter Hinweisen auf die Kaderhygiene veräußert hatte. Ein neuer Mannschaftsgeist ist seitdem nicht eingekehrt, dafür aber fehlen die Tore des Trios mehr denn je. Einen Torjäger kann Bobic für die ausbleibenden neun Spiele nicht mehr verpflichten. Änderungen, ob sinnvoll oder nicht, sind zu diesem späten Zeitpunkt der Saison nur noch auf der Trainerposition möglich.

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