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Protest im Fußball : Warum die Ultras nicht mehr ins Stadion wollen

Kritik am DFB als es noch keine Zuschauerbeschränkungen in deutschen Stadien gab: Ultras von Fortuna Düsseldorf 2019 Bild: firo Sportphoto

Die Ultras der deutschen Profivereine bleiben demonstrativ den Stadien fern und senden damit eine deutliche Botschaft an den DFB und die DFL. Hinter dem Vorgehen steckt Kalkül.

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          Fußball ohne Fans ist nichts. So ist es immer wieder zu hören von denen, die eben genau das sind, Fans, aber auch von manchen, die einfach nur gerne zusehen, wenn in den Stadien rund um den Globus tosende Massen skandieren im Fahnenmeer. Dieser Tage aber, in Zeiten einer sukzessiven Teilrückkehr der Zuschauer auf die lange verwaisten Ränge der deutschen Arenen, ist vermehrt eine andere Behauptung zu hören: Fußball ohne Fans ist, nun ja: Fußball.

          Jan Ehrhardt
          Sportredakteur.

          Besser noch: Dieser Tage beweise der Fußball, dass er auch ohne seine Fans könne. Dass er sogar besser funktioniere ohne sie, ohne Gewalt, ohne verbotene Pyrotechnik, ohne Schmähungen. Doch so einfach ist die Sache nicht. Gemeint mit dieser Aussage sind schließlich nicht die, die schon vor der Pandemie brav auf ihren Sitzplätzen mitklatschten und jubelten, sondern die, die normalerweise als harter Kern in der Kurve stehen. Und dort hauptverantwortlich dafür waren, dass es Fahnenmeere gab und Choreographien, Sprechchöre, ein Gemeinschaftsgefühl. Gemeint sind die Ultras.

          Und so beweisen die derzeit stattfindenden Spieltage mit einigen hundert oder einigen tausend Fans auf den Rängen zwar, dass es tatsächlich ohne Gewalt, ohne Pyrotechnik, ohne Beleidigungen geht. Doch sie beweisen ebenso, dass die gewohnte Stimmung nur von einer Gemeinschaft erzeugt werden kann, die organisiert und orchestriert werden muss. Klatschpappen und gutgemeinte Anfeuerungsrufe sind damit kaum vergleichbar.

          Aus der Öffentlichkeit verschwunden

          Viele Ultra-Gruppen der Vereine im deutschen Profifußball haben sich gegen eine Rückkehr in die Stadien ausgesprochen. Sie verzichten auf organisierte Unterstützung ihrer Mannschaften, treten auf den Tribünen nicht als Szene in Erscheinung. Aus der Öffentlichkeit scheinen sie mehr oder weniger verschwunden. Vereinzelte gemeinsame Auftritte wie etwa nach dem Niedersachsen-Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig in der zweiten Liga Anfang Oktober, als Hannover-Ultras den Sieg ihres Teams vor den Stadiontoren bejubelten, bleiben eine Ausnahme.

          Weshalb aber wollen die Ultras nicht zurück in die Arenen, wo immerhin – abhängig vom lokalen Infektionsgeschehen – bisweilen wieder mehrere tausend Zuschauer zugelassen sind? „Für uns ist die Fankurve damit verbunden, zusammenzustehen, zusammen zu singen und zu hüpfen und sich frei zu bewegen. Daran ist aus für uns aus vollkommen nachvollziehbaren Gründen derzeit nicht zu denken. Gästefans sind aus Gründen, die wir wiederum nicht nachvollziehen können, komplett ausgeschlossen“, teilt etwa die „Schickeria“ vom FC Bayern München auf ihrer Homepage mit. „Im Stadion wieder als Gruppe in Erscheinung zu treten ist für uns erst vorstellbar, wenn die Südkurve wieder zusammenstehen und die Mannschaft wie gewohnt unterstützen sowie auf der gegenüberliegenden Seite jemand für den Gegner singen kann.“

          Bildgewaltig: Solche Choreografien wie hier in Frankfurt 2019 lassen sich gut vermarkten.
          Bildgewaltig: Solche Choreografien wie hier in Frankfurt 2019 lassen sich gut vermarkten. : Bild: Picture-Alliance

          Die Ultra-Gruppen des VfB Stuttgart schreiben in einer gemeinsamen Stellungnahme, einige ihrer Mitglieder tauschten sicher gerne „Fernsehsessel gegen eine Sitzschale“, doch eine Rückkehr zur Normalität seien die derzeitigen Regelungen nicht. „Eine Art Notbetrieb für das positive Gefühl aller Beteiligten lehnen wir ab. Organisierten Support, Fahnen und Zaunfahnen wird es in der aktuellen Situation nicht geben.“ Und das „Wuhlesyndikat“ von Union Berlin meint: „Wir haben uns lange damit beschäftigt, wie wir mit dieser Situation umgehen, und uns letztlich entschieden: Wir und die weiteren aktiven Gruppen gehen erst wieder sichtbar ins Stadion, wenn die Zustände normal sind und der Stadionbesuch ohne Einschränkungen stattfindet.“

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