Sechs Spiele stand Torhüterin Vanessa Fischer für Turbine Potsdam auf dem Platz, vierzehn Gegentore musste sie hinnehmen. Bild: picture alliance / foto2press
Turbine Potsdam ist über viele Jahre eine Größe im deutschen Frauenfußball. Doch in der aktuellen Saison läuft es nicht. Dem Verein droht der Absturz in Liga zwei. Die Zukunft? Ungewiss.
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Einst reckten die Fußballerinnen von Turbine Potsdam Meisterschalen und Champions-League-Trophäen in die Höhe, eilten unter der Trainerlegende Bernd Schröder von Erfolg zu Erfolg – doch jetzt droht der Absturz. Trainer weg, Präsident weg, zahlreiche Spielerinnen geflüchtet und der stolze Traditionsverein ist an das Tabellenende der Frauenfußball-Bundesliga abgestürzt: Die Horrorsaison könnte tatsächlich mit dem Abstieg enden.
Nur ein Punkt aus zehn Spielen, dazu das Aus im Pokal-Achtelfinale: In einem Verein, der jahrelang vom Erfolg verwöhnt war, herrschte erst einmal „eine Schockstarre“, wie der neue Turbine-Präsident Karsten Ritter-Lang im Gespräch mit dem SID erklärte. Nicht über ein Abstiegsszenario nachzudenken, „wäre mehr als realitätsfern“.
Auch wenn die glorreichen Zeiten schon länger zurückliegen, war so etwas in der vergangenen Saison kaum vorstellbar. Nur knapp verpasste der sechsmalige Meister die Champions-League-Qualifikation, auch in den Jahren zuvor hatte sich Turbine meist unter die besten vier Teams gemischt.
Zahlreiche Baustellen
Wie es so weit kommen konnte? „Es war eine schwierige Situation nach den ganzen Turbulenzen im Frühjahr und Sommer“, erklärte Ritter-Lang, der seit November im Amt ist. So wurde im Juni, nur ein halbes Jahr nach der vorzeitigen Vertragsverlängerung, die Zusammenarbeit mit Trainer Sofian Chahed beendet. Dies habe zu „Irritationen“ geführt, sagte Ritter-Lang.
Nur fünf Tage später trat der damalige Präsident Rolf Kutzmutz zurück, der sich laut Vereinsmitteilung „nicht mehr in der Lage“ sah, „für den Verein in verantwortlicher Position Positives zu bewirken“. Und auch auf dem Platz gab es mehr als genug Baustellen. Ein Großteil des Kaders verließ den Verein, offensichtlich hätten die Spielerinnen „keine profunde Zukunft bei Turbine gesehen“, meinte Ritter-Lang. Hinzu seien viele Verletzte unter Chaheds Nachfolger Sebastian Middeke gekommen.
Die Belastungssteuerung sei „leider in den Sommermonaten bis in den Oktober hinein nur mäßig berücksichtigt worden“. Auch deshalb habe man mit Middeke nicht weitermachen können. Seit November leitete Interimstrainer Sven Weigang die Mission Klassenverbleib, an diesem Freitag bat der um sofortige Aufhebung seines Vertrags. Unruhe auf und neben dem Rasen – kurzum: „Der Verein ist implodiert“, sagte Ritter-Lang. Und das in einem Umfeld, in dem sich der dreimalige Pokalsieger zunehmend mit Klubs messen muss, die unter dem Dach von Männer-Bundesligaklubs agieren.
Neben Potsdam ist mit der SGS Essen nur noch ein weiterer reiner Frauenfußballverein in der obersten Spielklasse vertreten. Seit dem letzten Potsdamer Triumph 2012 hieß der deutsche Meister entweder VfL Wolfsburg oder Bayern München, in der zweiten Liga drängt RB Leipzig nach oben. Trotz allem glaubt Ritter-Lang, dass auch Vereine wie Potsdam in der Bundesliga mitspielen können, wenn „die Rahmenbedingungen dort stimmen“. Das Thema Abstieg schwebt dennoch vor dem Wiederbeginn der Ligaspiele für die Turbine am Sonntag (13.00 Uhr bei Magentasport) gegen Bayern München über dem Klub.
Zuversichtlich stimmt ihn, dass die Mannschaft „auf einem guten Weg“ sei, was die Verletzten betreffe, außerdem habe man sich vom Institut für Spielanalyse beraten lassen, und zwischen Trainer- und Funktionsteam gebe es nun „ein gutes Zusammenspiel“. Auch wenn ein Abstieg „ein Zeitpunkt für den absoluten Neustart“ sein könne, sei sich Ritter-Lang sicher, „dass wir den jetzt schon schaffen“.