Europa-League-Endspiel : Die finale Kraftprobe der Eintracht
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Rafael Borré trifft auch gegen Mainz. Bild: Huebner
2:2 in Mainz – die Frankfurter fühlen sich auf das große Finale in Sevilla gegen die Glasgow Rangers gut vorbereitet. Es ist die einzige Chance, auch in der kommenden Saison international mitzuspielen.
Wer etwas über den wichtigsten Saisontermin der Frankfurter in ihrer abschließenden Arbeitswoche erfahren wollte, musste am Samstag in der Mainzer Fußballarena nur den stimmgewaltigen Eintracht-Anhängern zuhören. Sie gaben akustisch voller Inbrunst das beherrschende Thema von der Tribüne aus vor: „Europa kürt den Meister – SGE!“, skandierten die begeisterungsfähigen Fans kurz vor Ende der Bundesligabegegnung, die am letzten Spieltag 2:2 ausging.
Und mit dem fast in Dauerschleife angestimmten Schlachtruf „Finale ohoho!“ wurden die Eintracht-Profis dann auch schwungvoll in die Kabine verabschiedet. Das Europa- League-Endspiel an diesem Mittwoch (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Europa League und bei RTL) in Sevilla gegen die Glasgow Rangers, das die Saison für die Hessen buchstäblich krönen soll, kann kommen.
Sein Herz klopfe „schon seit fast zwei Wochen“, berichtete Mittelfeldspieler Djibril Sow von seinen Gefühlen. „Wir können es kaum erwarten. Ich habe eher Vorfreude als Anspannung.“ Damit lenkt der Schweizer Nationalspieler seine Emotionen im Hinblick auf die von Oliver Glasner vorgegebene Marschroute in die richtige Richtung. „Wir freuen uns auf den Höhepunkt der Saison“, sagte der Eintracht-Trainer. „Das Wichtigste ist, dass wir auf uns schauen und den Spirit, die Leidenschaft, die Intensität, die wir heute gefunden haben, am Mittwoch an den Tag legen.“
Finale Kraftprobe
Nach einem „grausamen“ Start in das Spiel und einer Mainzer 1:0-Führung rissen sich die zunächst eher arbeitsfaulen Frankfurter zusammen und lagen dann ihrerseits durch Treffer von Tuta (25. Minute) und Rafael Borré (35.) 2:1 vorne, bevor dem Mainzer Marcus Ingvartsen in der 49. Minute mit seinem zweiten Tor vor 33 000 Zuschauern der Ausgleich gelang.
Die finale Kraftprobe mit den Rangers auf dem Weg zur Thronbesteigung in der Europa League ist für Glasner das bisher größte und wichtigste Spiel seiner Trainerkarriere. Noch nie stand der 47 Jahre alte Österreicher in einem internationalen Finale. Trotzdem lebt er in den Tagen vor dem geplanten Gipfelsturm Gelassenheit vor. Es höre sich vielleicht „ein bisschen blöd“ an, sagte Glasner, „aber es ist ganz wichtig, dass wir es nicht größer machen, als es ist. Natürlich ist es ein Finale, aber es bleibt ein Fußballspiel.“
Entscheidend sei wie in den vorangegangenen K.-o.-Duellen, „unsere Stärken abermals auf den Platz zu bekommen“, hob der Trainer hervor. „Wir haben alles im Kopf und im Körper. Jetzt gilt es, diese Freude, diese Begeisterung, diese Leidenschaft aufzubauen.“ Um zum guten Schluss von ganz oben als stolzer neuer Titelträger zu grüßen.
Glasners Spieler sollen sich in diesen Tagen nicht verrückt machen. Ablenkung in den richtigen Bahnen ist erlaubt und erwünscht. Der Trainer zum Beispiel schaute sich am Sonntag das Spiel der Eintracht-Frauen gegen Werder Bremen an. „Wir können jetzt nicht nur noch zu Hause sitzen und stundenlang an die Rangers denken.“ Es sei „ähnlich wie beim Abitur“, sagte Glasner. „Entweder ist man vorbereitet oder nicht. Wenn nicht, hilft es auch nicht, die letzten Tage davor noch alles in sich reinzupauken.“
Glasner schlagfertig
Von Panik vor der sportlichen Meisterprüfung keine Spur. Da sich die Eintracht in dieser Runde mit Bedacht Schritt für Schritt ihr Rüstzeug für die Europa League mit großem Erfolg aufgebaut hat, wird sie ihre Abläufe nicht ändern, nur weil jetzt die alles entscheidende Prüfung ansteht, die die Hessen im Erfolgsfall in die Champions League hieven wird. Was sportlich und wirtschaftlich ein Meilenstein für den Klub wäre. Auch am Dienstag wird Glasners Mannschaft voraussichtlich von 11.30 Uhr an das Abschlusstraining in Frankfurt abhalten – wie vor den Duellen mit West Ham United und dem FC Barcelona.
Als Glasner nach getaner Arbeit in Mainz mit Blick auf Sevilla gefragt wurde, warum sein Team das abschließende Training nicht im Finalstadion absolvieren werde, antwortete er mit einem Grinsen im Gesicht: „Wir haben uns informiert. Auch dort ist es grüner Rasen. 105 mal 68 Meter groß. Die Tore sind 7,32 mal 2,44 Meter, wenn ich die Maße richtig im Kopf habe – also nichts anderes wie sonst.“ Glasner war schlagfertig und gewitzt wie so oft. Im Anschluss an die Übungseinheit in gewohnter Umgebung werden Trainer und Team nach Sevilla fliegen.
Borré ist der einzige Spieler im Frankfurter Kader, der bereits einen internationalen Titel gewonnen hat – mit den Argentiniern von River Plate sicherte sich der kolumbianische Nationalspieler 2018 die Copa Libertadores. „Wir müssen jetzt den letzten Schritt machen und das Finale gegen die Rangers wie immer angehen: Hoch konzentriert und mit dem Selbstbewusstsein, dass wir es schaffen können“, sagte der Stürmer.
Sein Kollege und Kapitän Sebastian Rode blickt auf zwölf Einsätze in der Champions League und 32 in der Europa League zurück. Trotz seiner 1a-Stationen bei Bayern München und Borussia Dortmund sei „diese Europapokal-Reise mit der Eintracht das Phänomenalste in meiner Karriere“. Das Erreichen des Endspiels ordnet der Mittelfeldspieler höher ein als alles, was er bisher geschafft habe. „Für mich als Hessebub wäre es einmalig, den Pokal hochzurecken“, sagt Rode.
So eindrucksvoll der Auftritt der Eintracht, die Interesse am Bochumer Stürmer Sebastian Polter zeigt, in der Europa League ist, so enttäuschend ist ihr Abschneiden als Elfter in der Bundesliga mit der schlechtesten Spielzeit seit fünf Jahren. Aber davon wollte am Samstag keiner etwas hören. Die Rufe nach dem gewünschten Europa- League-Erfolg dominierten die Gesänge der Eintracht-Fans. Diese wird die Mannschaft im 2300 Kilometer entfernten Sevilla wieder zu Ohren bekommen.