
Staunen in der Bundesliga : Wunderliche Eintracht
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Ist die Eintracht wieder top? „Man sollte sich nicht dem Wahn hingeben, dass im Fußball alles erklärbar wäre.“ Bild: dpa
Eintracht Frankfurt wieder im kräftigen Aufwind: Wie konnte dieses Wunder geschehen? Man sollte sich nicht dem Wahn hingeben, dass im Fußball alles erklärbar wäre. Im Fall der Eintracht sind einige Dinge aber klar.
Wer vor vier Wochen behauptet hätte, die Frankfurter Eintracht würde im Achtelfinale der Europa League überwintern und sich unter dem Weihnachtsbaum sitzend über 27 Bundesliga-Punkte freuen, wäre als hoffnungsloser Fanatiker abgetan worden, denn Liebe blind macht. Nun präsentiert der Fußballklub eine Halbjahresbilanz, die schönste Aussichten für das neue Jahr bietet, und es stellt sich die Frage, wie dieses kleine Fußball-Wunder geschehen konnte.
Als Allererstes: Man sollte sich nicht dem Wahn hingeben, dass im Fußball alles erklärbar wäre. Aber im Fall der Eintracht gibt es schon einige logisch erscheinende Gründe, warum die Vorrunde so verlief, wie sie verlaufen ist. Die Umwälzungen des Sommers mit neuem Verwaltungsratsvorsitzenden, neuem Sportvorstand, neuem Sportdirektor, neuem Trainer und weiterem neuem Personal auf der zweiten Führungsebene mussten geradezu zu einem holprigen Saisonstart führen. Auch das Argument, dass bis auf den nach Leipzig abgewanderten Silva die Stammformation erst mal weiterspielte, zieht da nicht.
Einen 28-Tore-Stürmer eins zu eins zu ersetzen ist nicht möglich, die Anpassungsmaßnahmen beziehen mehrere Positionen mit ein. Und natürlich brachte Trainer Oliver Glasner seine eigenen Vorstellungen von Fußball aus Wolfsburg mit, und natürlich mussten sich die Neuzugänge erst mal an die Eintracht gewöhnen und viele auch an die Bundesliga.
Was bewahrte sie vor dem Absturz?
In dieser Gemengelage fand sich in der Vergangenheit so mancher aufstrebende Verein unversehens im Tabellenkeller wieder – und auch die Eintracht wäre fast in die unterste Etage abgerutscht. Was bewahrte die Frankfurter vor dem Absturz? Einerseits die seit Längerem aufgebaute Substanz des Kaders, womit gerade auch dessen Charakter und Leistungswilligkeit gemeint ist. Zum anderen die leidenschaftliche und auch besonnene Arbeit von Glasner, der weder das Vertrauen der Mannschaft noch das der Vereinsführung verlor.
All das hätte aber nicht gereicht, wenn nicht das Spielglück mitgeholfen hätte. Erst die vielen Last-Minute-Siege brachten den Eintracht-Profis den Schub an Selbstgewissheit, der bis dahin gefehlt hatte, um ihr Potential abzurufen. Man kann lange darüber diskutieren, ob die vielen späten Tore wegen des unverdrossenen Kampfgeistes verdient waren oder nicht. Auf jeden Fall ist es keine Selbstverständlichkeit, dass diese Tugend in aller Regelmäßigkeit auch belohnt wird.
Am Ende dieser Achterbahn-Vorrunde hat die Eintracht wieder mal 27 Punkte geholt. Es ist das fünfte Mal in den vergangenen sieben Halbserien. Viel konstanter geht es nicht. Das heißt aber nicht, dass nun, da der Umbruch erfolgreich vollzogen ist, alles wie von selbst weiterläuft.
Die Voraussetzungen sind gegeben, die Eintracht ist gut aufgestellt. Aber nicht so gut, dass sie quasi einen legitimen Anspruch hätte, im oberen Tabellendrittel mitzuspielen. Die nächste Bewährungsprobe kommt, wenn all die knappen Spiele nicht mehr in Serie einen glücklichen Ausgang nehmen.