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Der Fall des Uli Hoeneß : Das Ende des Patriarchen

Uli Hoeneß an seinem sechzigsten Geburtstag, letztes Jahr in München Bild: REUTERS

Es ist nicht irgendein Steuerfall, es ist einer aus großer Höhe. Uli Hoeneß stellt sich oft als moralische Instanz nicht nur im Fußball dar. Doch die Demaskierung seiner Galionsfigur schadet nur Hoeneß, dem FC Bayern nicht.

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          Im September sprach Uli Hoeneß über „die Reichen“. Man müsse sie im Lande behalten, „damit sie hier gemolken werden können“, so warnte er in einer Talkshow vor einer „Reichensteuer“. Seit Samstag steht Hoeneß selbst als einer jener Reichen da, die ihr Geld am Finanzamt vorbeibringen; die ihren Pflichtanteil am Wohlergehen jenes Landes verweigern, in dem sie leben.

          Es ist nicht irgendein Steuerfall, es ist einer aus großer Höhe. Hoeneß ließ in den letzten Jahren als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender des FC Bayern kaum eine Gelegenheit aus, sich als moralische Instanz nicht nur im Fußball darzustellen. Er konnte sich vor Anfragen zu Vorträgen und öffentlichen Auftritten, nach denen er die Honorare für gute Zwecke spendete, kaum retten. Durch emotionale Wucht und rhetorische Deutlichkeit war er in Fernsehsendungen das populäre Gegenteil des wachsweichen Polit-Funktionärs: einer, der Klartext sprach und glaubwürdig wirkte.

          Es sind Aussagen, die seit Samstag in der Vergangenheitsform stehen müssen. Die einen werden nun die moralische Frage stellen: Wie dreist muss einer sein, öffentlich zu fordern, man müsse das Geld der „Reichen“ im Lande halten - während er sein eigenes längst ins Ausland geschafft hatte?

          Den anderen, denen moralische Doppelbödigkeit egal ist, bleibt die technische Frage: Wie kann der Mann, der den finanzstärksten Klub Europas formte und sich den Ruf erwarb, man könne ihm in finanziellen Dingen nichts vormachen, wie kann ein Hoeneß sich in solch einer Sache erwischen lassen wie ein naiver, knickriger Kleinunternehmer, der seine Kröten über die Grenze geschafft hat? Wohl jeder hätte ihm mehr zugetraut. Mehr Ehrlichkeit. Oder mehr Cleverness.

          Demaskierung schadet den Bayern nicht

          Mächtig bleibt Hoeneß auch als Steuersünder. Nur scheint es, dass er, im Bewusstsein von Erfolg und Popularität und Nähe zu den Mächtigsten des Landes, der Kehrseite der Macht erlag: der Versuchung, eigene Regeln zu definieren. Etwa, als er die Staatsanwälte beschimpfte, die nach der Brandstiftung durch Breno, den in die Verzweiflung geratenen Brasilianer, nur ihre Arbeit taten.

          Dabei ist das Unternehmen, das Hoeneß prägte, längst so modern organisiert, dass ihm die private Demaskierung seiner Galionsfigur nicht schaden wird. Weder geschäftlich noch finanziell, noch gar sportlich. Immer deutlicher wird, dass Hoeneß, auch wenn er die Verhandlungen bei der Verpflichtung des neuen Trainers Pep Guardiola führte, nicht mehr so prägend ist im Alltagsgeschäft rund um das Fußballteam, das Herzstück des Vereins.

          Gewaltiger Ansehensverlust für Uli Hoeneß

          Während er mehr nach außen präsent war, haben sich andere, wie Vorstandschef Rummenigge oder Sportvorstand Sammer, eher nach innen profiliert und ihren Einfluss vergrößert. Ohnehin ist der FC Bayern, dieser Vorzeigebetrieb der globalen Unterhaltungsbranche, auf dem Sprung vom Zeitalter des Patriarchen zu dem einer kollektiveren, transparenteren Unternehmensführung.

          Es ist eine Entwicklung, die im Fußballteam, der internationalen Entwicklung des Spiels zu offeneren Strukturen und flacheren Hierarchien folgend, bereits stattgefunden hat. Und die nun auch in der Klubführung forciert werden könnte - durch eine Selbstanzeige, die für Hoeneß bei den Strafverfolgern von Nutzen sein mag, ihn aber nicht vor gewaltigem Ansehensverlust schützt.

          Christian Eichler
          Sportkorrespondent in München.

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