Gladbach gewinnt Geisterspiel : „Es ist beängstigend“
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Seltsame Sache: Bundesliga-Fußball zwischen Gladbach und Köln ohne Fans. Bild: AFP
Erst vom Sturm verweht, dann ohne Fans durch das Coronavirus: Das Rheinderby zwischen Gladbach gegen Köln steht unter keinem guten Stern. Die Borussia gewinnt ein seltsames Bundesligaspiel.
Diese Premiere hatte sich niemand träumen lassen, geschweige denn gewünscht. Ein Bundesligaspiel vor leeren Rängen, noch dazu eines der großen Derbys: Aus einem Albtraum ist am frühen Mittwochabend notwendige Wirklichkeit geworden. Wegen der sich ausbreitenden Coronavirus-Pandemie begegneten sich die Mannschaften von Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln in dieser Nachholbegegnung des 21. Spieltags bis auf ein paar Kiebitze aus der Welt der Medien und einigen Fans im Schatten der Nordkurve unter sich. „Es ist beängstigend und hat mit Fußball wenig zu tun“, stellte sogar Schiedsrichter Deniz Aytekin hinterher bei „Sky“ fest: „Es fehlt etwas - massiv.“
Der rheinische Dauerbrenner unter ehemaligen deutschen Meistern stand unter keinem guten Stern. Zuerst weggefegt vom Sturmtief „Sabine“ und nun ausgefochten im Lautlosformat, das von diesem Wochenende an in den Zeiten von Covid-19 für alle Erst- und Zweitligapartien gilt. Wer machte nun das Beste aus den atmosphärisch veränderten Umständen, die aus gesundheitspolitischen und damit prophylaktischen Gründen gerechtfertigt waren? Es waren die Gladbacher, die dank ihrer größeren Effizienz im Angriff 2:1 durch die Tore von Embolo (32.) und Merés Treffer ins eigene Netz (71.) 2:1 gewannen und von Platz fünf zurück auf den Champions-League-Rang vier kletterten.
Die zuletzt im Aufwind befindlichen Kölner dagegen, für die Uth traf (81.), verharren auf Platz zehn und verpassten fürs Erste den Anschluss an die Plätze mit Europa-League-Perspektive. Das wäre wohl auch etwas viel verlangt für einen Aufsteiger wie den einst glorreichen FC. Ein einsames Transparent hing vor der Nordkurve, wo sonst die heißblütigsten Gladbacher Fans zusammenstehen: „Holt den Derbysieg“. Im fast leeren Stadion sah das „Geisterspiel“, das die Borussia Einnahmen von rund zwei Millionen Euro kostet, zunächst nach einem Testspiel in der Saisonvorbereitung aus. Die in den vorangegangenen zehn Spielen achtmal siegreichen Kölner wirkten rund eine halbe Stunde zumindest geordneter und planvoller und hatten durch Uth bei einem Freistoß, der das obere Tornetz touchierte, eine Gelegenheit (21.).
Das erste Tor aber schoss die Borussia, als die FC-Defensive einmal nicht aufpasste und Wendts Hereingabe über Herrmanns Weiterleitung bei Embolo landete. Der Schweizer nutzte die erste Gladbacher Torgelegenheit für einen Drehschuss ins linke Eck, dem Torwart Horn nur hinterherschauen konnte. Was folgte, war die diesem stimmungsarmen Mittwoch nicht ganz passende Tormusik von der Gruppe Scooter: „I like it loud!“
Wie in so vielen Spielen hatte die höher plazierte Elf in einem Moment, der zählte, mit Effektivität zugeschlagen, als der Gegner nicht mehr damit rechnete. Nach dem Wechsel spielte die „Elf vom Niederrhein“ im Landregen von Mönchengladbach ihre Stärken, Tempo, frühes Attackieren, Geradlinigkeit vor des Gegners Tor, besser aus. Das Publikum an den Fernsehschirmen bekam nun ein Duell mit einem Hauch von Bundesliga-Zuschnitt zu sehen, bei dem Herrmann, der an Horn scheiterte (52.), die beste Gelegenheit besaß, den Gladbacher Vorsprung auf 2:0 zu erhöhen. Das geschah dann knapp zwanzig Minuten später, als Kramer einen Borussen-Angriff einleitete, Embolo den Ball vor das Kölner Tor flankte, der Spanier Meré klären wollte und die Kugel dabei vorbei an Torwart Horn ins eigene Tor beförderte. Damit schienen die Zeichen an diesem Abend gesetzt.
Doch die Kölner schlugen zurück, als sie fast schon verloren schienen. Mark Uth verkürzte mit einem Schuss in den Torwinkel nach einer sehenswerten Einzelaktion auf 1:2 und machte die letzten zehn Minuten dieses inzwischen ziemlich konkreten Geisterspiels noch einmal lebendig. Als Horn kurz vor Schluss seine zweite Gelegenheit nicht nutzte, feierten die Gladbacher einen Arbeitssieg an einem atmosphärisch sterilen Abend. Sie erklommen dafür nach dem Schlusspfiff die leere Fantribüne, um sich an den verschlossenen Stadiontoren von den dort ausharrenden Anhängern bejubeln zu lassen. „Jetzt fehlt nur noch die Schale“, scherzte Christoph Kramer, während er die Stufen der Tribüne hinaufstieg.
Die Kölner dagegen wurden am Mittwoch nach einer Reihe von schönen Erfolgen mal wieder auf Mittelmaß zurechtgestutzt. Bundesliga-Normalität an einem alles andere als normalem Mittwoch.