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Gedanken zu Gehaltsverzicht : Der Planet Fußball ist im Landeanflug

Aktueller Balanceakt: Ein wenig Geld von der einen Seite auf die andere verteilen, damit alle genug haben. Bild: Dieter Rüchel

Die Corona-Krise erdet. Und die Stars des deutschen Fußballs betonen ihre Solidarität mit der Gesellschaft. BVB-Boss Watzke verzichtet angeblich auf Gehalt.

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          Bis vor ein paar Wochen schien er manchmal in seiner eigenen Umlaufbahn zu rotieren, der Planet Fußball. Doch die Corona-Krise erdet. Und die Stars des deutschen Fußballs betonen ihre Solidarität mit der Gesellschaft, auf deren Sonnenseite sie stehen. Am Mittwoch teilten die Spieler des deutschen Nationalteams mit, 2,5 Millionen Euro für soziale Zwecke zu spenden, und riefen ihre Fans auf, über die Website www.wirhelfen.eu selbst einen Beitrag zu leisten. „Wir müssen aufeinander schauen in solchen Zeiten“, sagte Kapitän Manuel Neuer am Mittwoch in einer Videobotschaft. Kollege Matthias Ginter erklärte: „Lasst uns ein Zeichen setzen, indem wir zusammenstehen in dieser schwierigen Zeit.“

          Christian Eichler
          Sportkorrespondent in München.

          Schwierig ist die Zeit allerdings auch für ihre Arbeitgeber. Die Verschiebung der Europameisterschaft um ein Jahr gibt den Bundesligaklubs zwar rund zwei Monate mehr Zeit, die Saison zu Ende zu bringen und die für viele Klubs existenzbedrohenden Einnahmeverluste wenigstens zum Teil auszugleichen. Weil aber höchst unsicher ist, ob das gelingen wird, ist auch die Ausgabenseite in den Blickpunkt gerückt – spätestens seit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Montag die Frage nach möglichen staatlichen Hilfen für den Fußball mit dem Aufruf konterte, dass stattdessen hochbezahlte Profis über Gehaltsverzicht nachdenken sollten. Angesichts der „vielen Millionen, die da jedes Jahr verdient werden“, so Söder, sei „Solidarität gefragt, auch von den Spielern“.

          Diese Äußerung brachte den Sport-Geschäftsführer des 1. FC Köln, Horst Heldt, so sehr auf die Palme, dass er die Empfehlung Richtung Politik zurückgab, „es wäre sinnhaft, dass man sich mit populistischen Scheißausdrücken erst mal zurückhält“, und sagte: „Ich weiß, dass Fußballprofis ein soziales Gewissen haben. Ich finde es unverschämt, das öffentlich zu diskutieren und in Frage zu stellen.“ Christian Seifert wiederum, der Chef der Deutschen Fußball Liga, bezeichnete Söders Forderung als „nachvollziehbar“ und als „das, was viele Menschen denken“.

          Seifert zufolge hat es zum Thema Gehaltsverzicht bereits Gespräche zwischen Spielern und Vereinen gegeben. Auf eine Nachfrage der „Bild“-Zeitung bei den 18 Spielführern der Bundesligateams wollte zwar nur Bayern-Kapitän Neuer antworten, und das auf nur sehr allgemeine Weise: „Wie jeder andere Mensch in dieser Zeit machen auch ich und die anderen Fußballprofis uns darüber Gedanken, wie man mit der Situation am besten umgehen kann.“ Doch von mehreren Klubs wurde bestätigt, dass man das Thema derzeit intern diskutiere.

          Am Mittwoch vermeldete aber der „Kicker“, dass BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf 30 Prozent seines Gehalts verzichten wolle, solange der Ball nicht rollt. Weder der Klub noch Watzke äußerten sich zu dem Thema.

          In Schottland bat derweil der Erstligaklub Fußballclub Heart of Midlothian, bei dem der deutsche Trainer Daniel Stendel unter Vertrag steht, in einem offenen Brief Spieler, Trainerpersonal und andere Mitarbeiter darum, bis auf Weiteres auf die Hälfte ihres Lohns zu verzichten. Die Klubbesitzerin Ann Budge reagierte damit auf finanzielle Einbußen durch die Einstellung des Ligabetriebs aufgrund der Coronavirus-Krise.

          Die Klubs müssen auf das Entgegenkommen ihrer teuersten Angestellten hoffen. „Ohne Zugeständnisse der Spieler und übrigens auch die Einsicht von deren Beratern werden einige Klubs diese Phase nicht überstehen, sondern sehr konkret in Insolvenzgefahr geraten“, sagte der frühere Bundesliga-Manager Jan Schindelmeiser der „Frankfurter Rundschau“. Eine juristische Handhabe, wegen der Einbußen durch Corona Spielergehälter zu kürzen, haben die Klubs nicht. Auch wenn die Profis nicht spielen, sondern nur daheim individuelle Trainingspläne erfüllen, gewissermaßen im papierlosen „Home Office“, behalten sie ihren Anspruch auf das volle Grundgehalt.

          Wie es gemeinsam gehen kann, zeigt der SV Meppen. Der Drittligaklub hat am Mittwoch im Einvernehmen mit den Profis, „um durch Sparmaßnahmen eine drohende Insolvenz zu vermeiden“, einen Antrag auf Kurzarbeit für Spieler und Mitarbeiter gestellt, vorerst bis Ende April. Zuvor hatten bereits der 1. FC Kaiserslautern und Carl Zeiss Jena genauso reagiert. Bis Ende April ist der Spielbetrieb der dritten Liga bereits ausgesetzt. Der in den ersten beiden Ligen ist es vorerst nur bis zum 2. April. Doch räumt Seifert ein, man sei „noch ganz weit davon entfernt, über eine Fortführung der Bundesliga nachdenken zu können“.

          Immerhin gibt es immer noch Klubs, die derzeit nicht vor allem um ihren eigenen Fortbestand bangen müssen und deshalb auch an die Sorgen anderer denken können. So richtete die TSG Hoffenheim am Mittwoch einen Hilfsfonds für Einrichtungen und Sportklubs in der Rhein-Neckar-Region ein, die durch die Pandemie in Not geraten. Zu dem Fördertopf trägt der Klubgesellschafter und Milliardär Dietmar Hopp nach dpa-Informationen einen sechsstelligen Betrag aus seinem Privatvermögen bei. Auch die Profis wollen „unseren Beitrag zu dieser großartigen solidarischen Aktion leisten“, sagte Kapitän Benjamin Hübner. Geplant ist ein „Aktions-Spieltag“, dessen Einnahmen vor allem medizinischem Personal und Pflegekräften in der Corona-Krise helfen sollen. Der Planet Fußball, im Augenblick mit beiden Füßen auf der Erde.

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