Derby gegen Hertha BSC : Schadenfrohe Tiefstapler von Union Berlin
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Ätsch! Kevin Behrens und Union Berlin sind Anwärter auf einen Platz in der Champions League – während Hertha BSC die Zweitklassigkeit droht. Bild: picture alliance / Eibner-Pressefoto
Union trifft als Topklub auf die abstiegsbedrohte Hertha. Trainer Urs Fischer gibt sich demütig, doch der Klub gönnt sich ein freches Zahlenspiel. Derweil ist Fredi Bobic als Zauberer gefragt.
An Zahlen haben sie beim 1. FC Union Berlin derzeit große Freude, deshalb sind einige der wichtigsten gut sichtbar auf der Internetseite des Vereins aufbereitet. Wer die Homepage besucht, dem fallen sie sofort auf. Eine rote Zwei steht dort hinter „aktuelle Platzierung“, eine 33, ebenfalls in den Vereinsfarben, hinter „aktuelle Punktzahl“.
Und weil in der Bundesliga die Stärke des einen immer zwangsläufig auch die Schwäche des anderen ist, haben die Verantwortlichen die Bilanz eines weniger erfolgreichen Konkurrenten danebengestellt. Aktuelle Platzierung 17, aktuelle Punktzahl 14 steht da. Dass es sich beim ausgewählten Mitbewerber um Hertha BSC handelt, macht die Statistik aus Sicht aller Union zugewandten Berliner noch erfreulicher.
An diesem Samstag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) kommt es im Olympiastadion zum Derby, nie war die Kluft zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union zugunsten der Gäste größer. Hertha steckt mal wieder in argen Abstiegsnöten, Union schloss die Hinrunde als Zweitbester hinter dem FC Bayern ab. Sollte das auch nach dem letzten Spieltag Ende Mai noch so sein, wäre die Qualifikation für die Champions League die Folge.
Übertriebene Demut?
Da wirkt es immer kauziger, wenn Union-Trainer Urs Fischer Woche für Woche vorrechnet, wie viele Zähler es noch bis zur für ihn magischen Grenze von 40 Punkten braucht. So viele bedarf es seiner Meinung nach, um in der kommenden Saison wieder in der Bundesliga zu spielen. „Erreicht haben wir noch gar nichts, auch wenn es gut ausschaut“, so Fischer.
Diese Demut mag übertrieben erscheinen, hat ihren Ursprung aber in historischen Realitäten. Nicht einmal zwei Jahrzehnte ist es her, da fand sich Union noch in der vierten Liga im Amateurbereich verortet. Hertha dagegen hatte erste Ausflüge in die Champions League gemacht und schmückte sich mit internationalen Größen wie Marcelinho, Yildiray Bastürk oder Marko Pantelić.
In wenigen Monaten könnten sich die Wege beider Klubs wieder trennen, Herthas jüngste Auftritte geben wenig Grund zur Annahme, dass wieder die Rettung gelingt. Das 0:5 unter der Woche gegen Wolfsburg glich einem sportlichen Offenbarungseid. „Dass die Vorrunde nach Punkten keine gute ist, da brauchen wir gar nicht drüber reden. Das ist so“, sagt Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic.
Sieben Punkte mehr wies Hertha zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Saison auf, am Ende langte es trotzdem nur zum Klassenverbleib über den Umweg Relegation. Gemessen an der dramatischen Differenz ist es im notorisch aufgeregten Berlin noch recht ruhig rund um Hertha BSC, und doch klingt es immer mehr nach Durchhalteparolen, wenn Bobic sagt: „Trotz allem war vieles auch nicht schlecht.“
Nicht leugnen lässt sich neben der sportlichen auch die schlechte finanzielle Situation von Hertha BSC. Die Kassen sind leer, der sich anbahnende Verkauf der Anteile von Investor Lars Windhorst an das amerikanische Unternehmen 777 Partners dürfte daran kaum etwas ändern. Firmengründer Josh Wander war ausgerechnet beim desaströsen Auftritt gegen Wolfsburg in Berlin. Man habe sich vor dem Spiel „sehr lange ausgetauscht“, sagte Bobic.
Transferfenster schließt
Die angeblich in Aussicht gestellte Kapitalerhöhung um 100 Millionen Euro soll wahrscheinlich keine Investitionen in die Mannschaft zur Folge haben. Verstärkungen benötigt Hertha aber dringend, das haben die beiden Spiele zum Auftakt ins neue Kalenderjahr gezeigt. Spieler verpflichten können die Vereine noch bis einschließlich 31. Januar. „Wir überlegen natürlich bis zum letzten Tag der Transferperiode, ob irgendwas noch möglich ist. Wir werden reagieren mit den Möglichkeiten, die wir haben. Da müssen wir ein bisschen zaubern“, sagte Bobic.
Ganz real ist der Zugang, den Union Berlin unter der Woche präsentierte. Josip Juranović kam von Celtic Glasgow, Kaufpreis 8,5 Millionen Euro. So viel hatte Union bisher nur für den Nigerianer Taiwo Awoniyi ausgegeben. Trotz Rekordablöse könnte sich Juranović als Schnäppchen herausstellen. Ohne jegliche Zeit zum Ankommen gab der 27 Jahre alte Außenbahnspieler in Bremen (2:1) ein vielversprechendes Debüt.
Bei der Weltmeisterschaft überzeugte er für Kroatien ebenfalls mit starken Leistungen. Juranović ist vom Profil her der Typ Fußballprofi, den Hertha in der jüngeren Vergangenheit für sich beansprucht hat. Nationalspieler, erfahren, auf der Höhe seiner sportlichen Schaffenskraft. Auch als attraktivste Berliner Anlaufstelle hat der 1. FC Union Hertha BSC inzwischen überholt.