Bundesliga in der Corona-Krise : So wird sich der Fußball ändern
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Bild: Greser & Lenz
Die Bundesligen nehmen den Spielbetrieb wieder auf – und betreten Neuland. Denn nicht nur die Zuschauer im Stadion fehlen, auch die gewohnten Vorbereitungsspiele blieben aus. Das wirft viele Fragen auf.
Sind die Spieler fit?
Mark Uth investierte viel beim ersten Elf-gegen-elf-Spiel seit vielen Wochen. Er hatte gegen den Ball gearbeitet, war gelaufen und gesprintet, schließlich muss er ja am Sonntag mit dem 1. FC Köln in der Bundesliga gegen Mainz 05 um Punkte spielen. Als er nach der Einheit jedoch das Datenmaterial betrachtete, das die Analysten erhoben hatten, beschlich ihn ein Gefühl des Unbehagens. Der Fitnesszustand der Spieler sei „nicht vergleichbar“ mit der Kondition, mit der ein Profi den 26. Spieltag normalerweise bestreiten würde, berichtet Uth. „An den Laufkilometern hat man das gemerkt.“
Der Einstieg in den Wettkampfbetrieb nach nur gut einer Woche Mannschaftstraining wird für die Profis zu einer großen Herausforderung werden. Der Gladbacher Christoph Kramer erinnert sich an Testspiele nach den Sommerferien, in denen er sich schon nach 25 Minuten fragte: „Hey, wie soll ich jemals in meinem Leben noch mal 90 Minuten spielen?“ Allerlei Experten prognostizieren ein deutlich erhöhtes Verletzungsrisiko, gefährdet sei insbesondere die Muskulatur während intensiver Zweikämpfe. Auch dass die Spieler sich nach Wochen der erzwungenen Entschleunigung fast übergangslos wieder an die eigenen körperlichen Grenzen herantasten müssen, birgt Verletzungsrisiken.
In den ersten Partien der nun folgenden Wettkampfphase wird sich zeigen, wie perfekt austrainiert die Mannschaften normalerweise sind. Bei einem Saisonverlauf ohne Unterbrechung dringen die Spieler in körperliche Zustände vor, die im reinen Trainingsbetrieb nicht erreichbar sind. Nicht umsonst wird von der „Wettkampfhärte“ gesprochen, die sich nur in der Extremsituation enger Spiele mit den dazugehörigen Adrenalinausschüttungen entwickeln lässt. All das ist nun allenfalls im Ansatz möglich, was gefährlich sein könnte. Wobei Markus Krösche, der Sportdirektor von RB Leipzig, nicht an ein erhöhtes Verletzungsrisiko glaubt: „Es ist ja nicht so, dass die Spieler aus acht Wochen Pause kommen und, salopp gesagt, aus den Flip-Flops in die Fußballschuhe steigen.“
Sind die Mannschaften mental bereit?
Werder Bremens Trainer Florian Kohfeldt schöpft neue Hoffnung im schwierigen Abstiegskampf. Nicht der am besten besetzte Kader, nicht die Mannschaft mit dem meisten Glück werde in der Liga bleiben, sagt er. Vielmehr werde derjenige, der „mit den neuen Umständen im Kopf am besten klarkommt, erfolgreich sein“. Mit Jörg Löhr, der die deutschen Handballer auf dem Weg zum Weltmeistertitel 2007 begleitete, wurde beim SV Werder Anfang Mai ein neuer Mentaltrainer eingestellt, auch der BVB hat mit Philipp Laux einen Psychologen unter Vertrag genommen. Die Spieler sollen bestmöglich betreut werden im Umgang mit den Ängsten, Sorgen und Gedanken, die sich womöglich aufdrängen.
„Wer sich mental mit dieser Situation auseinandergesetzt hat und schwierige Situationen vorbesprochen, vorbereitet und geübt hat, wird klar im Vorteil sein“, sagt Hans-Dieter Hermann, der Sportpsychologe, der seit vielen Jahren die deutsche Nationalmannschaft begleitet.
Die Belastung ist nämlich enorm für die Spieler, nicht nur auf dem Platz. Die Profis wissen, dass von ihrem Verhalten das Gelingen eines weltweit beachteten Großprojektes abhängt, dessen Bedeutung nun wochenlang großgeredet wurde. Auch die Freundinnen und Frauen der Fußballprofis müssen sich trotz all der Lockerungen streng an die Vorschriften halten, um das Virus nicht in den geschützten Bundesligaraum einzuschleppen, Uth findet das reichlich schräg. Er sitze manchmal im Quarantäne-Hotel seiner Kölner Mannschaft und schaue aus dem Fenster, „wo die Leute in der Sonne sitzen, Kaffee trinken und Kuchen essen“. Da frage er sich schon: „Was machen wir hier eigentlich?“
Wie hoch wird das Spielniveau sein?
Den faszinierenden Hochgeschwindigkeitsfußball, den die besten Mannschaften sonst im Frühjahr oft auf den Rasen zaubern, wird die Corona-Bundesliga kaum bieten. Die körperliche Fitness fehlt, erst nach und nach werden die Mannschaften Wettkampfniveau erreichen, und nicht zuletzt sprechen die Spieler immer wieder von einem wichtigen Treibstoff, der ihnen in den leeren Stadien fehle: dem Adrenalin. Dennoch könnte es spektakulär werden, und „auch mal ein 5:5 geben“, wie Eintracht Frankfurts Sportdirektor Fredi Bobic prognostiziert. Ob die Qualität eines Spiels damit besser wird, lässt sich jedoch kontrovers diskutieren.