Eintracht siegt in Mainz : „Wir haben uns neu erfunden“
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Elfmeterkönig: Kamada stützt den Torschützen Silva. Bild: Jan Huebner
Sportvorstand Fredi Bobic lobt die Eintracht mit zwei Zehnern. André Silva beendet mit zwei Elfmetern die 34 Jahre währende Frankfurter Durststrecke in Mainz. Das schafft Selbstvertrauen für die nächsten Spiele.
Kennen Sie Reinhold Jessl? Müssen Sie nicht, ohne in den Ruch eines Fußball-Laien oder Eintracht-Ignoranten zu geraten. Reinhold Jessls Profikarriere dauerte nur eine Saison, dann hatte er nachgewiesen, dass es für ihn als Landesliga-Torjäger des FSV Bad Orb nicht reichte, um in der Bundesliga oder auch nur zweiten Liga Fuß zu fassen. Aber der wuchtige und kräftige junge Mann schaffte etwas, was historisch werden sollte. Am 24. Oktober 1986 erzielte er in der Verlängerung des Zweitrundenspiels im DFB-Pokal bei Mainz 05 den 1:0-Siegtreffer. Ein freudiges Ereignis, das von Jahr zu Jahr zusätzlich an Bedeutung gewann.

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Denn bis zu diesem Samstag blieb dieser Auswärtssieg der einzige der Eintracht in Mainz. Vier Versuche in der zweiten Liga und zwölf in der Bundesliga endeten mit einer Niederlage oder einem Unentschieden. Jessl beendete seine Spielerlaufbahn wieder beim FSV Bad Orb, nachdem er viermal für die Eintracht erstklassig angetreten war (ein Tor gegen Kaiserslautern) und als Amateur für Alzenau, Bad Homburg und den FSV Frankfurt gespielt hatte.
Schwarze Eintracht-Serie in Mainz
André Silva ist jedem ein Begriff, der sich mit Bundesliga-Fußball im Allgemeinen und den Geschicken der Frankfurter Eintracht im Speziellen beschäftigt. Es bedeutete keine Überraschung, dass es der 25 Jahre alte portugiesische Nationalstürmer war, der nach 34 Jahren die schwarze Eintracht-Serie in Mainz abschloss. Seine beiden Elfmetertore zum verdienten 2:0 waren seine Bundesligatreffer zehn und elf in dieser Spielzeit. Damit steht Silva in der Torjägerliste hinter Lewandowski und Haaland auf Rang drei. „Seine Souveränität bei Elfmetern erinnert mich an Robert Lewandowski, der auch immer eiskalt verwandelt“, sagte Eintracht-Trainer Adi Hütter. Schon fünf Strafstöße verwandelte Silva in dieser Saison in der Bundesliga, in der vergangenen Spielzeit traf er zweimal vom Punkt im Pokal und einmal in der Liga. Sein letzter Fehlschuss aus elf Metern liegt über zwei Jahre zurück, damals verdiente der Portugiese noch sein Geld beim FC Sevilla.
Nur bei einem Verein in seiner Karriere erlangte Silva eine ähnliche Trefferquote (nicht nur vom Elfmeterpunkt) wie bei der Eintracht – beim FC Porto, dem Klub, bei dem er groß wurde. Für den portugiesischen Abonnementmeister erzielte er in 41 Erstligabegegnungen 17 Tore, für die Eintracht in 39 Bundesligaspielen 23 Treffer. Dass seit geraumer Zeit Bas Dost nicht mehr an seiner Seite in der Spitze spielt (erst aus taktischen Gründen, dann wurde der Niederländer an Club Brügge abgegeben), hat dem Portugiesen nicht geschadet. „André Silva ist Alleinunterhalter vorne, aber er macht das richtig gut“, lobte ihn Hütter in Mainz und machte dann deutlich, dass er den Stürmer nicht nur an Toren misst: „Gegen Leverkusen ist er nicht belohnt worden, heute schon.“
Variabler und inspirierter in der Offensive
Wobei das Wort Alleinunterhalter nicht ganz zutrifft. Zwar hat Silva keinen festen Partner mehr in vorderster Linie. Aber seitdem Amin Younes neben Daichi Kamada als zweite „Zehn“ mitspielt, ist die Frankfurter Offensive viel variabler und auch inspirierter geworden. Die Mittelfeldspieler rücken oft auf Silvas Höhe vor, setzen ihn in Szene oder bietem ihm Anspielmöglichkeiten. Verteidiger Hinteregger beweist seinen scharfen Blick auf das Spiel, wenn er lobt: „Ein Spieler wie Amin Younes, der die Situationen auf ganz engen Räumen lösen kann und kluge Pässe wie vor dem 1:0 auf André spielt, ist uns vorher schon etwas abgegangen. In diesem System macht das richtig Spaß mit ihm. Das tut uns gut und ist wertvoll für uns.“
Der österreichische Nationalspieler bezog sich auf die Szene, die zum ersten Elfmeter führte, als Younes sich im Mittelfeld durch ein Dribbling Raum verschaffte und den startenden Silva so anspielte, dass ihn Gegenspieler Niakhaté nur noch durch einen Zupfer am Trikot bremsen konnte. Diese Aktion in der 24. Minute verschob die Auseinandersetzung in eine deutliche Richtung zugunsten der Eintracht, die bis dahin zwar besser und reifer wirkte, sich jedoch lange keine eindeutigen Vorteile gegenüber bemühten, aber limitierten Mainzern herausarbeiten konnte. Zwischen der 50. und 65. Spielminute waren jedoch die Rheinhessen am Drücker (Pfostenschuss Burkardt). Nach Silvas zweitem Elfmetertor (72. Minute) erlangten die Frankfurter dann wieder ihre Stabilität. Lediglich zwei Elfmeterentscheidungen von Schiedsrichter Dankert sorgten noch für Aufregung. Sie hielten jedoch der Überprüfung durch den Videoassistenten nicht stand. „Alle Entscheidungen waren richtig, ich bin ein Fan des Videoschiedsrichters. Ich verstehe aber die Mainzer Aufregung“, kommentierte Hütter, der keineswegs von einem sicheren Sieg sprach. „Wenn das 1:1 fällt, wäre es noch mal sehr spannend geworden, aber am Ende hat die spielerisch bessere Mannschaft gewonnen.“
Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic lobte die jüngste Entwicklung seines Teams: „Wir haben uns wieder neu erfunden“, sagte er zur Formation „mit zwei Zehnern.“ Auch Trainer Hütter legte seine Zurückhaltung nach drei Siegen in Serie ab: „Wir sind für die nächsten Spiele zuversichtlich. Viele Mannschaften werden um die internationalen Plätze kämpfen – wir sind dabei.“ Auch für das Pokalspiel am Dienstag bei Bayer Leverkusen (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zum DFB-Pokal und bei Sky) versprühte der Österreicher Optimismus: „Leverkusen ist der Favorit. Aber in einem Spiel haben wir alle Möglichkeiten und werden alles versuchen, weiterzukommen.“