Borussia Dortmund : Wie gibt man 50 Millionen Euro aus?
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Willkommen in Dortmund: Pierre-Emerick Aubameyang soll die Offensive der Borussia verstärken Bild: dpa
Der Wohlstand erweitert die Möglichkeiten. Nach Pierre-Emerick Aubameyang verstärkt auch noch Henrich Mchirtarjan Borussia Dortmund. Jürgen Klopp verspricht, stärker als vergangene Saison zu sein.
Neven Subotic fühlt sich gerüstet für den nächsten Gipfel, jedenfalls in den Kitzbüheler Alpen. Dort, wo die Fußballprofis von Borussia Dortmund ihre ersten Trainingstage zur Vorbereitung auf die neue Saison verbracht haben. Der Verteidiger sitzt in einer Gondel, die schwarz-gelb angestrichen ist und auch sonst die Verbundenheit der Region zu dem Klub ausdrückt, der weiter als erster Herausforderer des deutschen Rekordmeisters Bayern München gilt. In der Gondel gelangt Subotic als Werbeträger sanft nach oben und sorgt sich allenfalls um Touristen, die mit Schalke 04 sympathisieren, wenn der Berg ruft.
Auf dem Transfermarkt gondelt Dortmund weniger bequem umher. Der Klub hat eine Herausforderung zu bewältigen, die er nicht gewohnt ist. Lange konnten die Dortmunder es sich leichtmachen, wenn sie ihre Ansprüche formuliert haben. In den vergangenen Jahren hatten sie überschaubare Mittel für Investitionen zur Verfügung, auch als zweite Kraft in der Bundesliga. Also gerierten sie sich selbst nach dem Gewinn zweier Meisterschaften als Außenseiter, dessen Erfolg Maßstäbe vorübergehend verrückt, die Verhältnisse aber nicht grundlegend verändert habe.
Inzwischen ist genug Geld da, um neues Personal zu verpflichten, und zwar auf einem wirtschaftlichen Niveau, das weit über den Möglichkeiten deutscher Mitbewerber wie Schalke oder Leverkusen anzusiedeln ist. Das Erreichen des Endspiels in der Champions League, dazu der unvermeidbare Verkauf des Mittelfeldstrategen Mario Götze spülen rund hundert Millionen Euro in die Kasse, vielleicht sogar ein wenig mehr.
Hans-Joachim Watzke, der Vorsitzende der Geschäftsführung, hat angekündigt, die Borussia werde in diesem Sommer fünfzig Millionen Euro ausgeben, um die Mannschaft zu verstärken. Weitere zwölf Millionen Euro seien für den Ausbau der Infrastruktur vorgesehen. „Im Übrigen zahlen wir, im Gegensatz zu manch anderem, auch Steuern“, sagt Watzke.
Zunächst schien es dem BVB schwerzufallen, das Geld unter die Leute zu bringen. „Natürlich haben die Vereine mitbekommen, dass wir über ein gewisses Maß an Liquidität verfügen“, sagt Watzke. Davon lasse sich das Management aber in den Verhandlungen nicht beeinflussen. Beim Trainingsstart in Tirol war nur ein namhafter neuer Profi mit von der Partie.
Aber schon der Transfer des griechischen Verteidigers Sokratis von Werder Bremen, der knapp zehn Millionen Euro Ablöse kostet, belegt die neuen Ansprüche, die aus dem Erfolg der vergangenen drei Jahre folgen. In den letzten Tagen aber kam dann Bewegung in das Bemühen, die passenden Teile für das Personalpuzzle zu finden und zusammenzusetzen.
Die Borussen haben den Offensivspieler Pierre-Emerick Aubameyang abgeworben. Wie es heißt, zahlen sie dessen vorherigem Arbeitgeber AS St-Etienne aus der ersten französischen Liga 13 Millionen Euro Ablöse. Fast doppelt so teuer ist der nächste Neue, mit dem die Dortmunder am Montag einen Vertrag bis zum 30. Juni 2017 aushandelten.
Henrich Mchirtarjan kommt für geschätzt 25 Millionen Euro vom ukrainischen Double-Gewinner Schachtjor Donezk; er soll Götze im zentralen Mittelfeld ersetzen. Damit wäre das Budget fast ausgeschöpft und „die kleine Liste“ abgearbeitet, von der Watzke sprach und von der Kevin de Bruyne, zuletzt Bremer Leihspieler des FC Chelsea, gestrichen werden musste.
Der Chefstratege und sein Chefeinkäufer Michael Zorc versuchen bei ihrer Einkaufsstrategie zwei Umstände zu berücksichtigen. Einerseits wissen sie, dass von einem Klub wie Dortmund inzwischen der Mut erwartet wird, seine Mittel so einzusetzen, dass es auch der internationalen Konkurrenz Respekt einflößt. Andererseits müssen die Zugänge in die gewachsene Struktur der Mannschaft passen.
Trainer Jürgen Klopp ist es gelungen, die jüngste Meistermannschaft der Bundesliga zu formen und einen Gegenentwurf zum Branchenprimus Bayern München zu schaffen - mit vergleichsweise geringen Mitteln. Vor zwei Jahren kosteten die Zugänge Perisic (für zu leicht befunden und doch mit Gewinn verkauft) und Gündogan (zum Nationalspieler aufgestiegen) zusammen ungefähr so viel wie Neuzugang Aubameyang allein. Vor einem Jahr kam Marco Reus, ein Dortmunder Junge, der in Mönchengladbach berühmt geworden war, als Nationalspieler zurück in seine Heimatstadt - für 17 Millionen Euro Ablöse.
Ungewiss ist, ob die aktuellen Zugänge sich in die dynamische, sorgsam strukturierte Mannschaft so einfügen wie Gündogan oder Reus. Passen die Neuen in eine Mannschaft aus lauter Spielern, von denen die meisten sich kennengelernt haben, als sie noch keine Stars waren? Der Wohlstand erweitert die Möglichkeiten, allerdings wird von den Borussen inzwischen die Zugehörigkeit zum europäischen Establishment gefordert, die sich aus der Bundesliga bisher nur Bayern München dauerhaft sichern konnte.
Ob an der Basis oder in den Medien - die Ansprüche werden steigen oder wenigstens nicht geringer werden, ganz gleich wie stark die Münchner den nationalen Markt zuletzt auch beherrscht haben. Der BVB wird sich in den Verhandlungen mit abgebenden Vereinen also noch eine Weile mit der Frage herumplagen, wie teuer Gutes sein muss, sein darf.
Wie auch immer: Watzke und Zorc fördern die Ambitionen des Trainers nach (wirtschaftlichen) Kräften. Klopp jedenfalls verkündet, Dortmund habe nicht die Absicht, im Schatten der Bayern herumzugondeln. „Wir werden stärker sein als in der vergangenen Saison.“ Damit wäre, unabhängig von einem Titelgewinn, schon eine Menge gewonnen.