96-Präsident Martin Kind : Der Feind im eigenen Klub
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Mit den Ultras hat Kind nach zahlreichen Fehden um Pyrotechnik und anschließende Strafen, zu zahlen vom Klub, gebrochen. Und sie mit ihm. Sie wanderten ab, zur eigenen zweiten Mannschaft. Nach Ricklingen. So wurde die Arena am Maschsee zum Stadion mit der schlechtesten Stimmung. Ärger, Trotz und Unverständnis schwingen mit, wenn Kind dazu Stellung nimmt: „Es tut mir für die Mannschaft leid, wenn sie nicht die Unterstützung erhält, die sie verdient hat, jetzt sogar braucht. Dafür sind Fans doch eigentlich da. Aber die Mannschaft kann damit umgehen.“
„Reden kann man über alles“
Er selbst scheint gut mit den Anfeindungen im Stadion zu leben. Eine diplomatische Reaktion aber darf man von Martin Kind nicht erwarten. Nach seinen in der Wirtschaft erworbenen Maßstäben ist es dabei ganz normal, als Buhmann dazustehen. „Reden kann man über alles“, sagt er, „aber am Ende müssen Entscheidungen getroffen werden.“
Eine solche wird wohl sein, sich am Saisonende von Sportchef Dirk Dufner zu trennen. Das dürfte für Kind schon seit dem Jahresende 2013 feststehen. Damals hatte Dufner den inzwischen bei 1860 München entlassenen Trainer Ricardo Moniz an der Angel – und zwar so fest, dass Kind, als er sich gegen Moniz entschieden hatte, ein „Abstandsgeld“ zahlen musste. Dufner und Moniz hatten sich da schon geeinigt.
Als den Chef aber bei einem persönlichen Gespräch das Gefühl beschlich, Moniz sei ungeeignet, blieb nur die monetäre Lösung. Dafür Geld ausgeben? Für keine Leistung? Das hat Kind richtig geärgert. Beim Profi-Kader ist Kind vor der Saison ungewöhnlich stark ins Risiko gegangen, hat den Käufen der Spieler Josélu und Kiyotake für zusammen zehn Millionen Euro zugestimmt. Und wo ist der Ertrag geblieben? Platz zwölf. Das bringt nun auch den von ihm sehr geschätzten Trainer Tayfun Korkut in die Schusslinie. Und wenn es sein muss, wird Kind auch hier kühl entscheiden. „Am Ende geht es immer um 96“, sagt er.
2018 soll für ihn Schluss sein als ehrenamtlicher Präsident. Dann, 20 Jahre nach seinem Einstieg in den Klub mit der „Hannover 96 Sales&Services GmbH&Co. KG“, will Kind zusammen mit sechs regionalen Investoren 100 Prozent der Anteile an der ausgegliederten Profiabteilung von Hannover 96 halten. DFL und DFB haben den Weg für die Übernahme nach langem Kampf mit Kind frei gemacht, obwohl – wie im Falle Hopp und Hoffenheim – abermals die „50+1“-Regel ausgehebelt wird.
Für die kritischen Fans ist die Übernahme durch Kind ein Katastrophenszenario. Der Feind im Klub hätte dann seinen letzten Willen bekommen. Für Kind ist es ein normaler Vorgang nach 20-jährigem Einsatz von Mitteln und Arbeitskraft. Keiner der Investoren werde in das Tagesgeschäft hineinreden, alle hätten ein großes Interesse am Erfolg von 96. Kind sagt: „Märkte leben, Märkte verändern sich. Veränderung sollte man gestalten.“ Wenn dabei Tradition auf der Strecke bleibt – nicht sein Problem.
Vereinen wie dem VfL Wolfsburg, der TSG Hoffenheim oder Bayer Leverkusen kann er fast ebenso so viel abgewinnen wie dem FC Bayern München. Kind sagt: „Wolfsburg hat eine klare strategische Ausrichtung. Ich freue mich über ihren Erfolg.“ Und dass die Bayern 500 Millionen Euro vom jährlichen Bundesliga-Gesamtvolumen von 2,4 Milliarden umsetzen? Gerecht? Verdient? „Es ist ein Wettbewerbsmarkt, in dem jeder seine Chancen hat“, sagt er.
Es ist eine nüchterne Sicht auf den Unterhaltungsbetrieb Bundesliga, diesen merkwürdigen Markt. Als es um mögliche Solidarität unter den Vereinen geht, schnaubt Kind nur und lacht. Jeder muss sehen, wo er bleibt, heißt das. So gönne er den viel beneideten englischen Klubs der Premier League auch das horrende TV-Geld, sagt: „Wir sollten da nicht auf andere schauen. Die Bundesliga ist doch ein ordentlich funktionierendes Produkt.“ Aber eines, über das Martin Kind auch nach 18 Jahren in der Verantwortung Samstag für Samstag den Kopf schütteln kann.