5:4 in Frankfurt : Stuttgart gewinnt Spiel des Jahres
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Wahnsinn: Stuttgart führt 3:1, liegt 3:4 hinten, gewinnt 5:4 Bild: dpa
Frankfurt führt 1:0, liegt 1:3 zurück, geht 4:3 in Führung und verliert doch noch mit 4:5: Neun Tore in 90 Minuten. Selten erlebt die Bundesliga eine solche Achterbahnfahrt.
Armin Veh fasste in Worte, was auch die 49700 Zuschauer gesehen hatten: „ein Wahnsinnsspiel“. Ein Spiel mit neun Toren und einem glücklichen Sieger, der am Ende dieser spektakulären Begegnung VfB Stuttgart hieß. 5:4 schlug Vehs neue alte Mannschaft die Eintracht, bei der er selbst in den vergangenen drei Jahren als Trainer den sportlichen Aufstieg verantwortete. 4:5 aus Sicht der Eintracht also, für die ihr Coach Thomas Schaaf nach einem in jeder Beziehung bemerkenswerten Spiel feststellte: „Ich mag Spektakel. Ich mag aber kein Spektakel, wenn wir verlieren.“ Schon die Dramaturgie war atemraubend. 1:0, 1:1, 1:2, 1:3, 2:3, 3:3, 4:3, 4: 4, 4:5 - in den vergangenen vier (!) Jahrzehnten hat es in der Bundesliga kein derartiges Heimspiel der Eintracht mehr gegeben.
Letztmalig ging es am 16. November 1974 zwischen Hessen und Schwaben ähnlich hin und her - mit dem Unterschied, dass sich beide Mannschaften 5:5 trennten. Ein Remis vierzig Jahre später wäre gerecht gewesen, „aber wir haben es nicht geschafft, Sicherzeit und Selbstverständnis in unser Spiel zu bekommen“, sagte Schaaf. „Meine Mannschaft hat ja Qualität, aber wir müssen sie ordnen und strukturieren.“
Vogelwilde Spieler
Zuständig sind dafür vor allem die Spieler, die sich in dieser Achterbahnpartie immer wieder vogelwild zeigten. Die Frankfurter leisteten sich viel zu viele leichte Ballverluste, veränderten innerhalb kurzer Zeit ihr Abwehrverhalten von Dreier- auf Viererkette. An den Löchern freilich, die sich immer wieder den Stuttgartern boten, änderte dies kaum etwas. Eintracht-Kapitän Alexander Meier brachte es auf den Punkt. „Das war zwischen überragend und katastrophal.“
Überragend war die Zeitspanne zwischen der 57. und 65. Minute, als die Eintracht binnen 480 Sekunden aus einem 1:3 ein 4:3 machte. Meier, der eingewechselte Stefan Aigner sowie Alexander Madlung mit seinem zweiten Treffer sorgten für Freudenstimmung. „Die Leute im Stadion müssen doch alle auf ihren Sitzen hin- und hergewippt sein“, sagte später Trainer Schaaf. „Wenn es nicht 4: 5, sondern 5:4 für uns ausgegangen wäre, hätten die Leute gesagt: Gut, dass ich dabei gewesen bin.“ Gut, dass die knapp 50000 bei dieser 4:5-Niederlage dabei gewesen sind, denn sie haben, bei allem Spektakel, auch gesehen: Der Eintracht fehlt es noch an Stabilität, Homogenität und Klasse. Dass Schaaf es von Beginn an mit Takashi Inui und Lucas Piazon im zentralen Mittelfeld versuchte, muss als gescheitert gewertet werden. Beide genügten gegen Stuttgart kaum erstklassigen Ansprüchen.
Dass Schaaf gleichwohl Madlung mit der Aufgabe betraute, den einen Part in der Innenverteidigung zu übernehmen, war ein Treffer. Der technisch verbesserungsfähige Madlung hat zwar lange nicht die Klasse eines Carlos Zambrano. Doch dass er gegen den VfB nach zwei Vorstößen gleich zweimal zuschlug und mit Fuß (21.) und Kopf (65.) erfolgreich war, dürfte dem mit 32 Jahren ältesten Eintracht-Profi weiteres Selbstvertrauen geben. Selbstzweifel - das ist etwas, das Haris Seferovic nicht kennt.
Der Schweizer, der diesmal ohne Torerfolg blieb, wird das Torfestival gegen den VfB so schnell nicht vergessen, denn in der 86. Minute sah er Rot. Aigner war unmittelbar zuvor wegen Meckerns verwarnt worden, was Seferovic nicht gefiel. Der machte daraufhin in Richtung des Schiedsrichters mit Daumen und Zeigefingern ein Brillensymbol, ohne dies verbal zu kommentieren. Die Interpretation übernahm Referee Christian Dingert, der sich beleidigt fühlte und die Rote Karte zückte. Am kommenden Wochenende, beim Auswärtsspiel in Hannover, wird Seferovic fehlen. Am Mittwoch, wenn sich die Mönchengladbacher Borussia zur Zweitrundenpartie im DFB-Pokal in Frankfurt vorstellt, ist der Schweizer spielberechtigt.
Verrückte Woche
Was für eine verrückte Woche für die Eintracht. Erst das 1:3 in Paderborn nach zwischenzeitlicher 1:0-Führung. Nun das 4:5 gegen Stuttgart, obwohl man bis kurz vor Schluss 4:3 in Front lag. Schaafs Mannschaft hat in nur zwei Spielen scheinbar alle Trümpfe aus der Hand gegeben und es versäumt, ihre Punkteausbeute zu verbessern. „Das ist schon bitter und ärgerlich“, sagte Aigner, der noch mit einem strammen Schuss für den 3:3-Ausgleich gegen den VfB gesorgt hatte. „Wir haben das Spiel hergeschenkt.“ Auch Aigner, der gemeinsam mit dem gleichfalls nach der Halbzeitpause in die Partie gekommenen Freistoß- und Eckenspezialisten Marc Stendera für frischen Schwung sorgte, wurde gefragt, ob er sich angesichts des kommenden schweren Programms Sorgen mache. Seine Antwort: „Sorgen machen ich mir nur, wenn wir kurz vor dem Strich oder darunter stehen.“
Von dieser abstiegsbedrohenden Marke, an der sich Hamburg (sechs Punkte), Freiburg (fünf) und Bremen (vier) befinden, sind die Frankfurter mit zwölf Zählern (noch) weit entfernt. Aufpassen müssen sie trotzdem. „Acht Gegentore in zwei Spielen, das ist wirklich zu viel“, sagte Kapitän Meier. „Das müssen wir schleunigst abstellen, sonst gewinnen wir keine Spiele mehr.“