DFB-Pokalsieg in Bochum : Der Dortmunder Wandel zur Kampftruppe
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Einer, der spielen und kämpfen kann: Dortmunds Star Jude Bellingham Bild: AFP
Oft wurde über fehlende Mentalität beim BVB geredet. Beim DFB-Pokalspiel in Bochum trotzt die traditionell wankelmütige Mannschaft allen Widerständen und siegt. Das liegt auch an der Personalauswahl.
Die berühmte Mentalitätsdebatte ist eine Art Dauerbegleiterin für Borussia Dortmund auf den Wegen durch die Höhen und Tiefen so einer Fußballsaison, und auch der 2:1-Erfolg im Achtelfinale des DFB-Pokals in Bochum lieferte einen recht interessanten Beitrag zu dieser Diskussion. Aber niemand verwendete das vergiftete Wort „Mentalität“, das vor allen Dingen hervorgekramt wird, wenn wieder einmal der Vorwurf im Raum steht, Borussia Dortmund habe nicht mit der passenden Mentalität gespielt. In Bochum klangen die Beiträge zum Thema etwas anders.
„Wir haben das heute angenommen, das war das Entscheidende“, sagte Emre Can, der unmittelbar vor der Pause aus rund 50 Metern zum 0:1 für den BVB getroffen hatte (45.+1 Minute). Trainer Edin Terzic sprach von einem „Kampf“, dem sein Team sich mit aller nötigen Robustheit gestellt hatte: „Wir haben heute alle Widerstände akzeptiert, uns dagegen gewehrt, und deswegen sind wir verdient ins Achtelfinale eingezogen.“
Es war schon erkennbar, dass diese traditionell recht wankelmütige Mannschaft auch an diesem Abend mit ein paar Dingen gehadert hatte: Der Rasen war so zerfurcht, dass ein ambitioniertes Kombinationsspiel kaum möglich war, und während der Zweikämpfe wurde ständig geschubst und geschoben, Fußballspiele mit so vielen Oberkörperfouls sind selten.
Aufregung um einen Handelfmeter
Zudem war der Handelfmeter, den Kevin Stöger zum zwischenzeitlichen 1:1 nutzte (64.), höchst umstritten. Schiedsrichter Tobias Stieler betrachtete die Bilder von der Szene, als Jamie Bynoe-Gittens der Ball in einer Sprungbewegung an den Arm flog, ungewöhnlich lange, bevor er seine Entscheidung traf.
Der Arm war zwar angelegt, dabei jedoch so ungünstig angewinkelt, dass man darüber streiten kann, ob es sich nun um eine „natürliche“ oder um eine „unnatürliche“ Vergrößerung der Körperfläche handelte. Absicht hat sicher nicht vorgelegen, wie selbst Bochums Trainer Thomas Letsch einräumte. Und unmittelbar vor der Aktion war Bynoe-Gittens auch noch gefoult worden, merkte Terzic an.
Es gab eine Zeit, in der so ein Moment die Dortmunder schwer getroffen hätte, aber derzeit kämpfen sie sich irgendwie durch und durften nach dem Schlusspfiff den fünften Sieg im fünften Spiel des Jahres 2023 bejubeln. Mit dem BVB „ist zu rechnen“, sagte Sebastian Kehl wie schon nach dem 5:1 gegen den SC Freiburg am vergangenen Samstag, was nicht zuletzt an der Konsequenz liegt, mit der Trainer Terzic derzeit coacht. Oder vielleicht sollte man besser sagen: coachen kann. Denn die Bank erlaubt derzeit eine Vorgehensweise, die in der von Verletzungen geprägten Saisonphase vor der WM nicht möglich war.
Es ist auffällig, dass zwar fußballerisch brillante, aber nicht unbedingt sehr robuste Spieler wie Kapitän Marco Reus gerade viel auf der Bank sitzen. Reus wurde in Bochum wie schon beim umkämpften 2:0-Erfolg in Leverkusen erst spät eingewechselt.
Auch Profis wie Raphael Guerreiro oder Youssoufa Moukoko bekommen erheblich weniger Einsatzminuten als im Herbst, weil der Trainer konsequent auf energische Arbeiter wie Marius Wolf, Emre Can, Julian Ryerson, Sebastien Haller oder Anthony Modeste setzt. Salih Özcan und Jude Bellingham spielen sowieso immer, wenn sie können. Und Julian Brandt hat eine Entwicklung vom leichtfertigen Techniker zum willensstarken Defensivkämpfer geschafft, die geradezu beispielhaft für den BVB dieser Wochen steht.
Das Signal des Trainers ist klar: Borussia Dortmund soll weniger eine zwischen Ketten kombinierende Mannschaft sein als ein Team, das Widerstände überwindet. Das war in Leverkusen und in Mainz der Schlüssel zum Sieg und nun abermals bei den starken Bochumern, die zuvor fünf Bundesligaheimspiele am Stück gewonnen hatten.
Auch an diesem Abend hatte der VfL eigentlich jene Voraussetzungen geschaffen, unter denen spielerisch bessere Teams wie die Dortmunder immer wieder die Lust am Spiel verlieren. „Aufgrund der Spielweise der Bochumer haben wir nie Ruhe reinbekommen“, sagte Kehl, jede Grätsche wurde von den Anhängern des VfL bejubelt wie ein kleiner Sieg. Aber der BVB wurde nicht weich, und irgendwann gelang trotz des Verzichts auf spielerische Qualität ein kluger Spielzug: Özcan passte in die Tiefe, Bellingham behielt die Übersicht und legte quer auf den mittlerweile eingewechselten Reus, der den Ball nur noch ins leere Tor schießen musste (70.).
„Heute haben die Kleinigkeiten gezählt, und die liefen am Ende für die Dortmunder. Aber wir können stolz sein, was wir heute für ein Spiel absolviert haben“, sagte Bochums Kapitän Anthony Losilla, was sicher stimmt. Aus Dortmunder Sicht ist es allerdings eher eine große Sache als eine Kleinigkeit, solche Siege nicht nur erspielen, sondern auch erkämpfen zu können.