WM-Aus für Polen : Lewandowski rechnet hart mit seinen Mitspielern ab
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Robert Lewandowski ist vor allem von den Kollegen enttäuscht. Bild: AFP
Nur fünf Tage nach dem ersten Spiel steht das WM-Aus für Polen fest. Stürmerstar Robert Lewandowski holt zum Rundumschlag aus. Dass er ohne Tor bleibt, kreidet er seinen Kollegen mit deutlichen Worten an.
Nach dem WM-K.o. schon in der ersten Runde holte Robert Lewandowski selbst zum Rundumschlag aus – und schickte seine polnischen Mitspieler auf die Bretter. „Aus nichts kann ich nichts machen“, klagte der Torjäger des FC Bayern nach dem 0:3 (0:1)-Debakel gegen Kolumbien und seinen Münchner Vereinskollegen James, „es gibt keinen Spieler auf der Welt, der den Ball erobert, fünf Gegner und den Torwart ausspielt und dann ein Tor schießt.“
Wieder einmal war der Torschützenkönig der Fußball-Bundesliga in einem entscheidenden Spiel abgetaucht, hatte wie schon mit dem deutschen Rekordmeister in der Champions League gerade dann nicht geliefert, als seine Treffer besonders gefragt waren. Doch die Schuld suchte der 29-Jährige bei seiner völlig verkorksten WM-Premiere bei den anderen. „Ich hatte keine Torchance“, behauptete er, „ich wäre wütend auf mich, wenn ich Chancen gehabt und vergeben hätte. Ich bin ein Stürmer, der von Vorlagen lebt.“ Und dann kam der Tiefschlag: Die Mannschaft habe „nicht die fußballerische Qualität“.
Am nächsten Tag bekräftigte Lewandowski im WM-Quartier in Sotschi seine Kritik: „Man konnte einen Klassenunterschied sehen. Als Kapitän dieser Mannschaft werde ich immer hinter den Spielern und dem Trainer stehen. In den letzten Jahren haben wir 110 Prozent aus diesem Team herausgequetscht.“ Und er fügte an: „Leider war es offensichtlich, dass viele von uns in ihren Klubs eine schlechtere Saison hatten. Ich persönlich konnte nicht mehr tun.“ Lewandowski hofft, dass es trotz der Enttäuschung in Russland keinen totalen Umbruch im Team geben wird. „Wir müssen weiter an diese Mannschaft glauben“, sagte er, „es wäre nicht gut, alles zu zerstören und neu anzufangen. Einige werden aufhören, viele von uns wollen weitermachen. Wir werden nicht aufgeben, wir werden weiter kämpfen.“
Ein paar Meter weiter lieferte sein Bayern-Kollege James das Kontrastprogramm. Mit strahlenden Augen und einem Dauerlächeln auf den Lippen lobte der Matchwinner, der zwei Tore genial vorbereitet hatte, seine Mitspieler in den höchsten Tönen. „Wenn man gute Spieler hat, ist es einfacher“, sagte der Torschützenkönig der WM 2014: „Es ist immer besser, so viele Talente neben sich zu wissen.“ Mit dem vielseitigen Juventus-Routinier Juan Cuadrado (30) hatte James schon vor vier Jahren in Brasilien kongenial zusammengespielt. Jetzt beteiligte sich auch noch Juan Quintero (25), vom FC Porto an River Plate Buenos Aires ausgeliehen, an dem munteren Wechsel- und Kombinationsspiel hinter dem Rekordtorschützen Radamel Falcao (32).
„Die Zauberformel hieß James-Quintero“, urteilte die Zeitung El Heraldo. In der Tat bereitete das Duo alle Tore mit teils traumhaften Pässen vor: Quintero auf James, dessen Flanke Yerry Mina per Kopf verwertete (40.). Quintero auf Falcao, der sich nach der verpassten WM 2014 seinen Traum erfüllte (70.). Und James auf Cuadrado für den Schlussakkord (75.). Vor allem für Falcao, der beim Viertelfinaleinzug in Brasilien wegen einer schweren Knieverletzung zuschauen musste, freute sich James. „Wir haben vier Jahre auf ihn gewartet. Jetzt bekommt er das, was er verdient“, sagte der Münchner, der nach zwei Spielen bei seiner zweiten Endrunde insgesamt sechs Tore und drei Vorlagen auf seinem WM-Konto hat.
Falcao war nach seinem ersten WM-Tor im fortgeschrittenen Alter überglücklich. „Davon habe ich als kleiner Junge geträumt“, sagte er. Trainer Jose Pekerman nannte den Premierentreffer „eine der größten Freuden des Abends. Falcao ist ein Symbol des kolumbianischen Fußballs.“ Doch bei aller Freude auch über das neue Traum-Duo James-Quintero (“zwei Spieler mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, die sich sehr gut ergänzen“) warnte Pekerman: „Wir müssen uns steigern, wenn wir weiterkommen wollen.“ Im Gruppenfinale am Donnerstag gegen Senegal ist ein Sieg notwendig, um sicher ins Achtelfinale einzuziehen. Darüber muss sich Lewandowski keine Gedanken mehr machen. Gegen Japan geht es nur noch um die Ehre. „Es sind harte Zeiten für uns“, meinte der verhinderte Torjäger, „ich fühle Bitterkeit, Wut und Ohnmacht.“