Überraschung bei Fußball-WM : Bonos Geschenk der Freude
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Der lächelnde Torwart: Yassine Bounou, genannt Bono Bild: dpa
Marokko zeigt Außenseiterfußball in Perfektion und verkörpert das arabische Element bei dieser WM auf arabischem Boden. Gegen Spanien gelingt dem Team ein Coup. Ein besonderes Juwel ist der Torwart.
Es war schon viel Applaus gespendet worden, einige leidenschaftliche Huldigungen waren ausgesprochen, und auch der König war schon sehr respektvoll erwähnt worden, als ein weiterer der marokkanischen Journalisten das Wort ergriff. Er wolle auf Englisch reden, sagte er, damit die ganze Welt hören und verstehen könne, was er zu sagen habe.
Dann wandte er sich an die beiden Männer auf dem Podium: „Ich habe keine Frage“, sagte er. „Ich möchte nur danke sagen.“ Und von da an deklamierte er mehr, als dass er sprach: „Ihr habt etwas geschafft, was es in der Geschichte des marokkanischen Fußballs noch nie gegeben habt, 40 Millionen Marokkaner sind glücklich! Danke, danke dafür! Ich stehe hier mit Tränen in den Augen, weil ihr marokkanische Geschichte geschrieben habt!“
Im formalen Procedere der Pressekonferenz dieses WM-Achtelfinales zwischen Marokko und Spanien war das die zweite von zwei zugelassenen Fragen an den „Spieler des Spiels“, den Torwart Bono, aber wie die FIFA-Mitarbeiterin auf dem Podium feststellte: „Da dies keine Frage war – bitte noch eine.“
Lächeln statt Pokerface
Und so konnte Bono auch noch ganz konventionell befragt werden, wie er das gemacht habe im Elfmeterschießen, als er zwei der drei spanischen Schüsse pariert und vielleicht auch den dritten erwischt hätte, wenn der nicht ohnehin an den Pfosten gegangen wäre. „Ein kleines bisschen Gefühl, ein kleines bisschen Glück“, das war es schon, besonders gesprächig war er ohnehin nicht, aber sein Trainer neben ihm hatte ja auch schon zwei Mal gesagt, dass er sich schonen müsse.
Achraf Hakimi hatte den Schlusspunkt gesetzt, mit einem frech in die Mitte gechippten Elfmeter, der so viel Unterschnitt besaß, dass er sich im Flug rasant rückwärts drehte. Aber der Mann mit bürgerlichem Namen Yassine Bounou, auf dessen Trikot auch beim FC Sevilla nur „Bono“ steht, war derjenige von 40 Millionen Marokkanern, dem dieser Abend am meisten gehörte. Das war allein der Dramaturgie dieses Spiels geschuldet, in dem zwei Prinzipien des Fußballs in ihrer extremsten Form aufeinandergetroffen waren, das Dominanz- und Kontrollmodell spanischer Ausprägung und das universale Außenseiterprinzip.
Aber schon auch der Tatsache, wie Bono diesem Duell auf Biegen und Brechen im Education-City-Stadion, das an diesem Abend eher in Marrakesch oder Casablanca statt in ar-Rayyan zu stehen schien, ein ganz besonderes Gesicht gegeben hatte. Ein Lächeln, das er bis ins Elfmeterschießen trug, wo sonst die grimmige Miene der Entschlossenheit, das Pokerface und manchmal, meint man jedenfalls, auch ein Hauch von vorahnungsvoller Leere das Bild bestimmen.
Vor dem Elfmeterschießen war er Arm in Arm mit seinem spanischen Kollegen Unai Simón Richtung Eckfahne geschlendert, wie zwei alte Freunde, die nach einem besonderen Abend nach Hause gehen, ein besonderes Bild dieser WM, aber es war ja noch nicht zu Ende, und dann schwebte er praktisch durch diese finalen Minuten, so dass man am Ende sagen konnte, dass Marokko nicht nur den leidenschaftlichsten, verbissensten, aufopferungsvollsten, sondern auch den fröhlichsten Außenseiterfußball dieser Weltmeisterschaft spielt. Er wolle diesen Spiel allen Marokkanern als „Geschenk der Freude“ geben, sagte Bono.