Sieg im WM-Achtelfinale : Furiose Brasilianer spielen Südkorea schwindelig
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Zeigte Tricks, nicht nur mit dem Ball: Neymar bei Brasiliens Sieg über Südkorea im WM-Achtelfinale von Qatar Bild: Reuters
Gegen dieses brasilianische Team hat Südkorea nicht den Hauch einer Chance: Mit einem 4:1 schießen sich Neymar und Co. ins Viertelfinale und machen deutlich, dass sie zurecht der große Favorit auf den WM-Titel sind.
Er drückte den rechten Fuß neben den Ball. Er machte drei Schritte zurück. Er schaute den Ball an. Er machte drei Schritte vor. Er drückte den rechten Fuß gegen den Ball. Und als der Ball den Befehlen seines Meisters, Neymar, der Nummer 10 der brasilianischen Nationalmannschaft, folgte und sich in den obersten Torwinkel drehte, machten die mehr als 43.000 Menschen im Stadium 974 in Doha: nichts.
Doch das schien Neymar nicht zu stören. Warum auch? Das Achtelfinale der Weltmeisterschaft hatte ja noch gar nicht angefangen.
Ok, es war auch nur das Warmmachen für das Fußballspiel gegen Südkorea, aber das Tor, das Neymar da, als seine Mitspieler mit Ausnahme eines Torhüters schon in der Kabine waren, aus 20 Metern schoss, deutete schon an, was kommen würde. Dass der Ball ihm an diesem Abend besonders gut gehorchte. Und, was wesentlich wichtiger war, dass der Knöchel seines rechten Fußes das offenbar auch machte.
Es waren, als das Spiel dann angefangen hatte, erst 13 Minuten vorbei, als Neymar sich den Ball auf den Elfmeterpunkt legen durfte. Er drückte den rechten Fuß neben den Ball. Er machte acht oder neun Schritte zurück. Er schaute den Ball an. Er machte 13 oder 14 Schrittchen vor. Er schaute mittendrin den südkoreanischen Torhüter an. Er drückte den rechten Fuß gegen den Ball. Und als der Ball den Befehlen seines Meisters wieder folgte und flach ins Tor flutschte, machen die mehr 43.000 als Menschen im Stadion: Party.
Mit Südkorea Samba getanzt
Am Montagabend haben Neymar und seine Mitspieler mit den Südkoreanern Samba getanzt. Es war nur nicht die Art des Tanzens, die allen Spaß machte. Meistens durften die Brasilianer den Takt angeben und meistens konnten die Südkoreaner diesem nicht folgen. So siegten die Brasilianer in diesem Duell 4:1 – und feierten doch die Party, die in den Tagen vor dem Spiel auf der Kippe stand.
Es ist elf Tage her, seit sich Neymar, der seinem Land in Qatar den WM-Pokal schenken soll, im ersten Gruppenspiel am Knöchel des rechten Fußes verletzt hatte. Die Bilder, die danach im Internet verbreitet wurden, verhießen nichts Gutes. Man sah einen Knöchel, der so angeschwollen war, dass er sicher nicht in einen Fußballschuh gepasst hätte. Er verpasste sowohl das Spiel gegen die Schweiz (1:0) als auch das gegen Kamerun (0:1, aber für Brasilianer, die die nächste Runde schon davor erreicht hatten , spielte auch die B-Mannschaft). Am Tag vor dem Achtelfinale kündigte Tite, der Nationaltrainer, dann aber an, dass Neymar spielen werde. Die Frage war allerdings: Wie gut? Am Montag folgte die Antwort: sehr gut.
Im 4-3-3-System von Trainer Tite durfte Neymar wieder in seiner Sonderrolle im Mittelfeld spielen, wo er die Freiheiten eines Künstlers hat. Dort spielte er sich mit seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit in einen Rausch, der so mitreißend war, dass er zu vier Toren führte – und zu noch mehr hätte führen können. Mit dem Strafstoß, den Richarlison herausgeholt hatte, machte Neymar das 2:0. Davor hatte Vinicius Junior (7. Minute) getroffen. Danach trafen Richarlison (29.) und Lucas Paquetá (36.). Und immer, wenn der Ball im Netz war, sammelten sich alle Spieler und tanzten. Einmal machte an der Seitenlinie sogar der Trainer mit.
Es waren aber nicht die Schüsse ins Tor, die offenbarten, warum Brasilien in diesem Winter wirklich Weltmeister werden kann, sondern die Pässe, die sie vorbereiteten. Das 1:0 legte der Außenstürmer Raphina auf, der mit dem Ball von rechts in den Strafraum dribbelte und ihn flach in die Mitte spielte. Das 3:0 legte der Innenverteidiger Thiago Silva auf, der den Ball perfekt in den Strafraum passte. Das 4:0 legte Vinicius Junior auf, der von links in den Strafraum dribbelte und ihn in den Rückraum lupfte, wo Paquetá lauerte und den Ball erwischte, ehe der den Boden berührte. So sieht Fußball aus, wenn man ihn tanzen kann.
Nun war es nicht so, dass die Südkoreaner keine Chancen hatten. In der 76. Minute nutzte Seung-Ho Paik die für das 1:4. Sein Schuss aus der Distanz war sehenswert. Doch er konnte den Eindruck dieses Abends nicht mehr ändern. Die Brasilianer, die den Sieg in der zweiten Halbzeit sicherten, scheinen bereit zu sein. Und Neymar auch. In der 80. Minute wurde er ausgewechselt. Am Freitag (16.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-WM und bei MagentaTV) soll wieder getanzt werden. Im Viertelfinale gegen Kroatien.
„Wir träumen vom Titel bei dieser Weltmeisterschaft“, sagte Neymar dann zum Schluss. „Drei Spiele fehlen uns noch, wir sind bestens vorbereitet und mental voll darauf fixiert.“