Wales-Superstar Gareth Bale : Aus der Frührente zur Weltmeisterschaft
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Einmal kräftig durchpusten: Gareth Bale plagte sich zuletzt mit Wehwhechen herum. Bild: picture alliance / empics
Gareth Bale war gerade dabei, seine imposante Karriere ausklingen zu lassen. Doch für die erste WM-Teilnahme der Waliser seit 1958 hat sich der Superstar noch einmal aufgerafft. Reicht das?
Gareth Bale hat nie ein Geheimnis aus seiner zweiten großen Liebe neben dem Fußball gemacht. Nachdem sich Wales für die Europameisterschaft 2020 qualifiziert hatte, posierte der Star inmitten seiner Mannschaftskollegen mit der grün-weißen Nationalflagge, in deren Zentrum ein roter Drache steht. Über dem Fabelwesen nannte Bale seine Leidenschaften: Wales. Golf. Madrid. Und damit ja nichts durcheinandergerät, stand darunter zur Klarstellung: in that order, in dieser Reihenfolge.
Dabei stammt die Priorisierung gar nicht von Bale selbst. Predrag Mijatović, einst Spieler und später Sportdirektor bei Real Madrid hatte in einem Radiointerview gesagt, ihm komme es vor, dass Bales Fokus erst auf der Nationalmannschaft, dann auf seiner liebsten Freizeitbeschäftigung und schließlich auf seinem Arbeitgeber liege. Die Fans aus der Heimat fanden das lustig, die von Real Madrid eher weniger. Bale aber hatte offensichtlich auch seinen Spaß und jubelte mit der Fahne in der Hand.
Es gibt wenige Spieler, bei denen die Situation im Klub und in der Landesauswahl so verschieden war. Nach imposanten Leistungen bei Tottenham Hotspur kam Bale 2013 für die Weltrekordsumme von 101 Millionen Euro nach Madrid. Damit kostete er gar vier Millionen mehr als Cristiano Ronaldo vier Jahre zuvor.
An die Leistungen und Bedeutung des Beaus kam der Waliser aber nie heran, auch wenn sich 106 Tore in 258 Partien gar nicht schlecht lesen. Der Portugiese kam halt auf unglaubliche 450 Treffer in 438 Spielen. 19 Titel, darunter fünf Mal die Champions League, gewann Bale. Ein Liebling der Madridistas war er dennoch nie, selbst als er das Endspiel der Königsklasse 2018 mit einem spektakulären Fallrückzieher entschied.
In der Nationalmannschaft indes war Bale immer der Ronaldo – der herausragende Star. Der sportliche Erfolg der vergangenen Jahre verfestigte seinen Status. Bei der EM 2016 erreichte Wales sensationell das Halbfinale, beim kontinentalen Turnier im vergangenen Jahr das Achtelfinale. Auf eine WM-Qualifikation hatte die Nation gar seit 1958 warten müssen. Sie kommt gerade rechtzeitig für Bale, der inzwischen 33 Jahre alt ist und sich zuletzt mit Wehwehchen herumplagte. Hätte Wales das Turnier in Qatar nicht erreicht, wäre seine aktuelle Berufsbezeichnung womöglich schon „Fußballprofi in Frührente“.
Nachdem sein Vertrag im Sommer ausgelaufen war und Real den Bankdrücker Bale endlich von einer hohen Position der Lohnliste streichen konnte, musste der sich entscheiden. Denn das Duell mit der Ukraine in den Play-offs zur WM entschied Wales für sich, weil Bales Freistoßknaller den Ball ins Tor abfälschte.
Die Qualifikation für Qatar bedeutete einen goldenen Abschluss für die Karriere auf der großen Bühne. Es brauchte also einen Verein, der ihm vier Monate bezahlte Vorbereitung auf diesen Höhepunkt gewährte.
Los Angeles FC griff zu. Kurios: Obwohl Bales Vertrag in Madrid ausgelaufen war, musste sein neuer Klub 75.000 Dollar (aktuell 72.495 Euro) überweisen. Nicht nach Madrid, sondern nach Miami. Ligakonkurrent Inter Miami hatte sich einst ein Vorkaufsrecht an Bale gesichert bei einem Wechsel in die amerikanische Major League Soccer (MLS).
Die kleine Investition lohnte sich – für beide Seiten. Zwar spielte Bale nicht einmal 400 Minuten für den LAFC, wurde aber nach einer Verletzung pünktlich zum MLS-Finale gegen Philadelphia fit, rettete seine Mannschaft mit einem späten Tor in der Verlängerung ins Elfmeterschießen und jubelte danach über den Titelgewinn.
Nun ist Bale bereit für das Karrierefinale in Qatar. Wegen der gesundheitlichen Handicaps sind nicht alle sicher, ob Bale drei Spiele in acht Tagen auf höchstem Niveau durchhält. Torwart Wayne Hennessey hat keine Zweifel. „Gareth ist fit für 90 Minuten. Er ist unser Schlüsselspieler, unser Kapitän, unser Vorbild“, sagte der Torwart vor dem Auftakt an diesem Montag gegen die USA (20.00 Uhr MEZ im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-WM, im ZDF und bei MagentaTV).
Auch Trainer Rob Page ist sicher, dass Bale liefert, „sobald er das Nationaltrikot anzieht“. Gegner ist ausgerechnet die Auswahl des Landes, in dem sich Bale fit machte. In der Gruppe geht es im Duell mit den USA für Wales womöglich schon darum, wer als Zweiter hinter England ins Achtelfinale einziehen wird. Die Vorfreude ist immens. „Es ist das größte Ereignis für den walisischen Fußball“, sagte Bale nach geglückter Qualifikation. „Dafür haben wir unsere gesamte Karriere gearbeitet.“
Dafür muss die zweite Leidenschaft für den Moment ruhen, zumindest auf dem Golfplatz. Trainer Page hat die Ausflüge für die Spieler verboten; sie sollen sich voll auf Fußball konzentrieren und im engen WM-Spielplan nicht in der Hitze den Schläger schwingen. Die ist für die Waliser ein Problem. Das Training wurde schon auf den Nachmittag gelegt.
„Hoffentlich wird es etwas kühler. Wir schwitzen ja schon, wenn wir nur um das Hotel herumgehen“, klagte Mark Harris. Bale stört sich an den schweißtreibenden Umständen nicht. Er spielte schließlich lange in Spanien. Und er hat auch am Persischen Golf einen Weg gefunden, seiner zweiten Leidenschaft zu frönen: Am Golfsimulator im edlen Delta Hotels City Center in Doha bringt er sich für die WM in Schwung.