Spaniens Mittelstürmer : Alvaro Morata ist einer für die Lücke
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Auf ihn ist Verlass: Alvaro Morata trifft gegen Deutschland. Bild: AP
Groß gewachsen, kräftige Statur: Alvaro Morata ist der Typ Stürmer, der den Spaniern ansonsten abgeht. Früher erhielt er Morddrohungen, heute erzielt er wichtige Tore für sein Land.
Alvaro Morata besitzt keinen Spitznamen. Er heißt nicht etwa Lücke. Über eine solche verfügt er auch nicht. Weder im Gesicht noch im Lebenslauf. Die Vereine, bei denen er gespielt hat, sind von makellosem Klang. Real Madrid, Juventus Turin, FC Chelsea, Atlético Madrid. Er hat nie für die Sportfreunde Ricklingen gespielt oder für die Spielvereinigung Greuther Fürth, so wie Niclas Füllkrug, der jetzt als „Lücke“ vielen Fans in Deutschland ein Begriff ist.
Und doch verbindet die beiden Männer mehr, als es auf den ersten Blick aussieht. Wie in Deutschland über Füllkrug wird auch in Spanien über Morata debattiert. Soll er oder soll er nicht starten im letzten Gruppenspiel? Spanien trifft dort an diesem Donnerstag auf Japan (20.00 Uhr MEZ, im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-WM und bei Magenta TV). Einen Punkt benötigt die Selección noch, um sich für das Achtelfinale zu qualifizieren.
Morata ist gewiss eine Option. Gegen Deutschland (1:1) schoss er das wichtige Führungstor, auch beim Auftakt gegen Costa Rica (7:0) traf er. Jeweils als Einwechselspieler. Argumente für einen Einsatz von Beginn an hat er also gesammelt. Bei seinen Mitspielern steht er hoch im Kurs. Angesprochen auf Moratas Hereinnahme gegen Deutschland, sagte Dani Olmo: „Bevor er kam, haben wir vorne einige Bälle verloren. Mit ihm wurde das dann besser. Er hat uns gutgetan.“ Das Gleiche wurde auf Seite der Deutschen über Niclas Füllkrug gesagt.
Morata ist genau dieser Typ Stürmer, der den Spaniern wie auch den Deutschen ansonsten im Kader abgeht. Groß gewachsen, 1,89 Meter und von kräftiger Statur. Einer, der sich durchsetzen kann und den Ball vorne festmacht, wie es heißt, wenn ein Stürmer das Spielgerät gut abschirmt und beschützt. Sein Kopfball gilt als passabel, allein seiner Größe wegen wäre er gegen die kleineren Japaner ein nicht zu unterschätzender Trumpf. Gegner und Spiel scheinen wie gemacht zu sein für ihn.
Auf einen richtigen Mittelstürmer hat Spaniens Trainer Luis Enrique bisher in seiner Startelf verzichtet. Er bot immer die ballsicheren, beweglichen aber körperlich nicht so robusten Marco Asensio, Ferran Torres und Dani Olmo auf, die das typische Kurzpassspiel Spaniens besser umsetzen können. Im Zusammenspiel mit den technisch hoch veranlagten Mittelfeldspielern war Spanien auch im gegnerischen Drittel nur schwer vom Ball zu trennen, erlebte aber Höhen und Tiefen, wenn es um das Kreieren von Torchancen ging. Das funktionierte gegen Costa Rica sehr und gegen Deutschland nur bedingt gut.
Die Zeit für eine Veränderung könnte gekommen sein. Vermutlich würden dann Torres oder Asensio weichen. Der Leipziger Olmo spielt bisher ein gutes Turnier und sich damit auch in den Blickpunkt anderer Vereine. Sein Heimatklub FC Barcelona gilt weiter an einer Rückkehr interessiert.
Neu wäre ein Rückgriff auf Morata nicht. Bei der Europameisterschaft vor einem Jahr war der heute 30 Jahre alte Angreifer meist gesetzt. Damals begleitete eine heftige, über die Grenzen des Zumutbaren gehende Debatte seine Person. Viele Fans sprachen Morata nach einigen vergebenen Torchancen die Qualität für die Nationalmannschaft ab. Die Kritik ging teilweise unter die Gürtellinie und glitt ins Persönliche ab. Sogar von Morddrohungen berichtete Morata.
Nur Trainer Luis Enrique verteidigte seinen Stürmer immer und stellte ihn auch dann auf, als die Entrüstung darüber am größten war. Morata hat das nicht vergessen. „Er hat in der schwersten Zeit meiner Karriere an mich geglaubt. Ich hatte das Gefühl, ein ganzes Land gegen mich zu haben, das war eine sehr schwere Situation, für mich aber er ist aufgestanden und hat mich gegen alle verteidigt. Das Einzige, was ich jetzt möchte, ist, ihm dieses Vertrauen und alles, was er für mich getan hat, zurückgeben“, sagt Morata.
Mittlerweile sind seine Einsätze weniger umstritten, zu wichtig waren seine Tore immer wieder. Gegen Schweden gelang ihm auf dem Weg nach Qatar ein entscheidendes Tor, welches letztlich die Qualifikation sicherte. Auch in Portugal traf er im September, durch sein 1:0 zog Spanien ins Endturnier der Nations League ein.
Bei der WM ist er nicht nur als Torschütze, sondern auch als Führungspersönlichkeit gefragt. Morata gehört zu den wenigen Älteren, die über Turniererfahrung verfügen. Spaniens Kader ist sehr jung, nur Ghana, die USA und Ecuador gingen mit einer noch jüngeren Mannschaft in den Wettbewerb. Die WM in Qatar ist für Alvaro Morata nach den Europameisterschaften 2016 und 2021 das dritte große Turnier, an dem er teilnimmt. Für die WM 2018 war er vom damaligen Trainer Julen Lopetegui nicht nominiert worden.
Spanien verfügte zu dieser Zeit noch über eine größere Auswahl an Mittelstürmern. Das hat sich geändert, zu Morata gibt es so gut wie keine Alternativen. Dem kann das nur recht sein, in der ewigen Torschützenliste Spaniens zog er gegen Deutschland mit Raúl gleich. 29 Tore haben beide für Spanien bisher geschossen. Im Fall von Alvaro Morata sollen noch einige dazukommen. Im Idealfall schon gegen Japan.