Fußball-WM 2014 : Die Wettmafia wetzt die Messer
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Der Rasen von Manaus im Amazonas: Einige wollen dort ihre Träume erfüllen, andere hoffen auf das schnelle Geld. Bild: AP
Die Bedrohung ist größer als je zuvor: Die letzten Gruppenspiele dieser Fußball-Weltmeisterschaft sind Ziele für Betrügerbanden. Interpol und Europol warnen. Die Fifa setzt auf Informanten.
In dem Hotel an der Copacabana, wo der Internationale Fußball-Verband (Fifa) einen Teil seines Organisationsteams untergebracht hat, treibt sich manch dubioser Zeitgenosse herum. Neulich wurden zwei Personen von der Polizei festgesetzt, die im Foyer ein Paket Schwarzmarkt-Karten für WM-Spiele an den Mann bringen wollten. Dies war umso kurioser, als ausgerechnet in dieser Herberge der Sicherheitschef der Fifa abgestiegen ist. Ralf Mutschke kann aber noch von ganz anderen Kontakten berichten, die mit einem für den Fußball viel gefährlicheren Problemfeld zu tun haben. „Es gibt da Leute, die derzeit für Geld angebliche Informationen anbieten. Aber das sind höchst zweifelhafte Quellen.“ Es geht um Spielmanipulation. Und es geht um organisierte Kriminalität.
Mutschke hatte vor der WM davor gewarnt, dass Wettbetrüger nicht vor dem Weltturnier haltmachen würden, wenn sich für sie eine Chance ergeben könnte. Mutschke, einst leitender Direktor des Bundeskriminalamts, identifizierte die letzten WM-Gruppenspiele als Risikobegegnungen, bei denen es für einzelne Mannschaften nicht mehr um die sportliche Entscheidung geht und die deshalb von der Wettmafia einfacher zur Manipulation benutzt werden könnten. Die Risikoanalysten bestimmen Kriterien, jedes Kriterium erhält einen Index, die Summe der Indizes ergibt dann die Gesamtgefährdung für das Spiel.
Diese Woche in Brasilien steht im Zeichen solcher Spiele. So wurden mit dem Turnierstart Spieler, Schiedsrichter, Trainer und Offizielle über die Gefahren eines Kontakts zu Wett-Fixern aufgeklärt, Zettel mit Nummern und Mail-Adressen verteilt. Die Fifa beobachtet rund um die Uhr die Bewegungen auf dem Wettmarkt, um verdächtige Quoten zu finden, die auf ein verschobenes Spiel hindeuten können. Sie bezieht die Informationen zwar nur von einem Bruchteil der Wettanbieter (400 von etwa 20 000), die es weltweit gibt. Doch selbst wenn es zu Wetten auf abgesprochene Spiele bei Anbietern kommt, mit denen die Fifa nicht direkt verbunden ist, schlagen sich die Einsätze irgendwann doch bei den großen Buchmachern nieder und werden sichtbar, weil sich die kleineren Anbieter dort gegen Verluste absichern.
In jedem Stadion sind geschulte Sicherheitsleute der Fifa im Einsatz. Es gibt auf der Internetseite der Fifa eine Anlaufstelle für sogenannte Whistleblower, die dort ihr Wissen anonym weitergeben können. Noch nie wurde ein solcher Aufwand gegen die Gefahr der Spielmanipulation betrieben. Derzeit werden im Netz auf der Fifa-Seite etwa 55 000 Whistleblower-Zugriffe pro Woche registriert, statt der sonst etwa üblichen 22 000. Nicht alles davon ist wertvoll. Manche Nutzer lassen bloß ihren Frust raus über die Niederlage ihres Teams und schwärzen Schiedsrichter an. Andere Mitteilungen haben durchaus eine gewisse Tiefe.
Bislang hat Mutschke für das WM-Turnier allerdings keinen einzigen konkreten Hinweis für ein verdächtiges Spiel erhalten - sagt er. Der Linienrichter aus Kolumbien, der im Gruppenspiel zwischen Mexiko und Kamerun mit zwei Fehlentscheidungen auffiel, hatte wohl nur einen schlechten Tag. Auch die 98 Vorbereitungsspiele mit WM-Mannschaften, die seit dem 15. Mai beobachtet wurden, seien unverdächtig abgelaufen. Nicht sicher waren sich die Beobachter einer Begegnung in London zwischen Schottland und Nigeria. Vor dem Anpfiff hatte ein Spieler aus dem afrikanischen Team offenbart, dass er von Fixern angesprochen worden sei. Die britische National Crime Agency ermittelte, die Fifa beobachtete das Spiel und gab Entwarnung - trotz einiger Merkwürdigkeiten. Es fehlte der Beweis.