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Wer die WM entscheidet : Aber bitte mit Sahne!

Die Basis des kroatischen Erfolgs liegt in den Top-Ligen: Sime Vrsaljko, Luka Modric, Ante Rebic und Mario Mandzukic Bild: Reuters

Teamgeist, Taktik, Standard-Tricks? Alles Quatsch. Statistiker sind auf einen erstaunlichen Zusammenhang gestoßen, der viele Ergebnisse erklären könnte. Die WM ist somit eigentlich schon entschieden.

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          Es gibt diese Trainer, die ihren Anteil am Erfolg von Fußballmannschaften in Demut und Bescheidenheit beschreiben. Thomas Tuchel hat bei aller Akribie in der Trainingsarbeit und seinem unbestritten großen Einfluss in der Vorbereitung einer Mannschaft auf die Spiele immer mal wieder darauf verwiesen, dass am Ende nicht ein Trainer ein Spiel gewinnt, sondern die Spieler. „Fußball ist und bleibt ein 'player's game'“, lautete einer der Glaubenssätze des nun für Paris St. Germain tätigen früheren Trainer von Mainz 05 und Borussia Dortmund.

          Daniel Meuren
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

          Am Ende, so die Aussage, entscheiden auf dem Platz trotz aller taktischen Einstellung, Vorbereitung oder gar weichen Faktoren wie Teamgeist oder im Fußball oft entscheidenden Zufällen wie Pfostenschüssen oder Schiedsrichter-Fehlentscheidungen die Spieler: deren spielerische Fertigkeiten, Handlungsschnelligkeit und Entscheidungskompetenz, die Summe der Leistungen im Spiel.

          Die Datenexperten des Potsdamer Instituts für Spielanalyse haben nun festgestellt, dass diese Aussage auf zahlenmäßig verblüffend klare Weise durch eine Statistik bekräftigt werden kann: Bei der Weltmeisterschaft in Russland passten äußerst viele Ergebnisse zu einer Grundthese, mit der die Analysten an die Spiele herangegangen sind: Grundsätzlich, so der Ansatz, gewinnt die Mannschaft, die eine größere Anzahl an Akteuren im Kader hat, die gestählt sind aus dem Konkurrenzkampf im Alltag eines Topklubs der fünf tonangebenden europäischen Top-Ligen in England, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich sowie entsprechend mit ihren Topklubs im Europapokal. Solche Spieler wissen demnach, wie man die Leistung im entscheidenden Moment abruft und Spiele gewinnt.

          Pavard ist der einzige französische Ausreißer

          Frankreich, spätestens seit dem Halbfinalsieg gegen Belgien der WM-Favorit, hat beispielsweise bei der WM nicht nur Griezmann, Mbappé, Pogba und Varane in der Auswahl, sondern eben insgesamt 22 Akteure im Kader, die bei einem Spitzenverein in England, Spanien, Italien, Deutschland oder Frankreich spielen, mit dem sie im Europapokal gefordert waren. Benjamin Pavard, der (noch) beim VfB Stuttgart unter Vertrag steht, ist der einzige Ausreißer. Die Qualität der Spieler summiert sich bislang während des souveränen Marsches bis ins Endspiel zum maximalen wie auch erwarteten Erfolg.

          Bei Halbfinalgegner Belgien hatte Trainer Martinez zum Vergleich „nur“ 15 Akteure aus jener Spitzenklasse des europäischen Vereinsfußballs zur Auswahl. „Wir nennen es den 'Sahne-Index', weil diese besonderen Spieler die Sahne auf dem Eis sind und ihre Mannschaften somit erst zu etwas besonderem machen. Je mehr 'Erste Sahne'-Spieler ein Kader hat, desto besser“, sagt Geschäftsführer Karsten Görsdorf.

          Entsprechend der Analyse aus Potsdam haben bislang erstaunlich viele Ergebnisse der WM oder auch die Abschlusstabellen der Vorrunde sowie die Resultate in der K.o.-Phase den Erwartungen entsprochen. Im Viertelfinale gewann beispielsweise dreimal das Team mit dem höheren „Sahne-Index“, lediglich Belgien überraschte demnach mit dem Sieg gegen Brasilien, wobei die Differenz bei 15 belgischen gegenüber 17 brasilianischen „Sahne-Spielern“ gering war.

          Nur wenige Vorrunden-Abweichungen

          Im Turnierverlauf widersetzten sich derweil nur wenige „Outperformer“ dem Trend: Russland erreichte mit nur einem „Sahne-Spieler“ das Viertelfinale, Schweden durfte als vermeintlicher Kandidat fürs Vorrundenaus mit nur zwei solchen Akteuren auch aufs Halbfinale hoffen. Auch die vermeintliche Überraschungsmannschaft Kroatien kann außer Modric, Rakitic und Mandzukic auf 13 Spitzenspieler zurückgreifen, eine umso bemerkenswertere Zahl in Anbetracht der Tatsache, dass die heimische Liga wie auch die belgische nicht zu den Top-5-Ligen zählt. Englische, französische oder auch deutsche Spieler haben naturgemäß einen leichteren Zugang zur heimischen Spielklasse und auch den jeweiligen Topklubs.

          In der Vorrunde trotz eines etwas höheren „Sahne-Indexes“ als erfolgreichere Gruppengegner ausgeschieden sind derweil ganz wenige Teams: Senegal und Polen mussten mit ihren sieben beziehungsweise sechs „Sahne-Spielern“ Japan den Vortritt lassen - im Fall Senegals aber nur wegen der Fairplay-Wertung.

          So summiert sich Qualität zu Erfolg: Frankreich baut auf Olivier Giroud von Chelsea, Kylian Mbappé von PSG sowie Antoine Griezmann von Atlético
          So summiert sich Qualität zu Erfolg: Frankreich baut auf Olivier Giroud von Chelsea, Kylian Mbappé von PSG sowie Antoine Griezmann von Atlético : Bild: AFP

          Die extremsten Underperformer des Turniers waren derweil Spanien mit dem Scheitern im Achtelfinale und die Vorrunden-Negativüberraschung Deutschland: Obwohl - Achtung Wortspiel - Bundestrainer Joachim Löw ausgerechnet auf Leroy Sané verzichtete, hatte er 19 „Sahne-Spieler“ im Kader und somit die drittmeisten aller WM-Teilnehmer. „Dass Deutschland mit 19 Spielern zu den Top 3 der Welt gehört, lässt den Schluss zu, dass es nicht an der mangelnden Spielerqualität gelegen haben kann, sondern an anderen Prozessen und Kriterien, die der DFB nunmehr in diesen Tagen analysieren will“, meint das Institut für Spielanalyse. Für Spanien gilt augenscheinlich dasselbe, da das Team durch die Suspendierung von Trainer Julen Lopetegui nur zwei Tage vor dem WM-Auftakt einer unvorhersehbaren Unruhe ausgesetzt war.

          An der Sahne lag es nicht: Özil, Draxler, Müller und Kroos spielen bei den Topklubs der Topligen
          An der Sahne lag es nicht: Özil, Draxler, Müller und Kroos spielen bei den Topklubs der Topligen : Bild: Reuters

          Die Analyse vergangener Weltmeisterschaften ergab ein ähnliches Bild mit jeweils weit unter den Erwartungen agierenden, mit „Sahne-Spielern“ gut bestückten Titelverteidigern sowie einem dann in der Konsequenz doch ernüchternden Ergebnis: Erfolg im Fußball ist vielleicht doch nichts anderes als die Summe der einzelnen Teile. Seit 2006 wurde jeweils die Mannschaft Weltmeister, die die meisten „Sahne-Spieler“ im Kader hatte. Diese Statistik widerlegt nebenbei auch die häufig geäußerte Vermutung, dass die mehrfachbelasteten Top-Spieler bei Weltmeisterschaften übermüdet und deshalb außer Form auflaufen. Da bleibt also nur noch der Glückwunsch an Frankreich zum Sieg im Finale am Sonntag. Sowohl England als auch Kroatien hätten bei einem Halbfinalsieg zu wenige dieser Akteure im Kader.

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