Wirbel um Özil und Gündogan : „Geschmacklose Wahlkampfhilfe für Erdogan“
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Mesut Özil (links) und Recep Tayyip Erdogan beim Treffen in London am Sonntag. Bild: Picture-Alliance
Die deutschen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan sorgen für einen Eklat. Politiker kritisieren den Auftritt mit dem türkischen Staatspräsidenten scharf. Gündogan reagiert.
Der Werbeauftritt der beiden deutschen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan wird zum Politikum. „Der Bundespräsident eines deutschen Fußballnationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Parlament heißt Deutscher Bundestag und sitzt in Berlin, nicht in Ankara“, sagte der Grünen-Politiker Cem Özdemir der F.A.Z. „Anstatt Erdogan diese geschmacklose Wahlkampfhilfe zu leisten, wünsche ich mir von den Spielern, dass sie sich aufs Fußballspielen konzentrieren und noch einmal die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nachschlagen.“
Spielplan der Fußball-WM 2018 in Russland
Beide Fußballprofis ließen sich am Sonntag während einer Wahlkampfveranstaltung Erdogans in England mit dem türkischen Präsidenten ablichten. Zudem überreichten sie ihm Trikots ihrer englischen Klubs FC Arsenal und Manchester City. Der in Gelsenkirchen geborene Gündogan schrieb auf sein Hemd: „Respekt an meinen Präsidenten der Republik“. Weltmeister Özil sendete zudem einen Tweet, der ihn offenbar während des Treffens mit Gündogan sowie dem ebenfalls türkisch-stämmigen Cenk Tosun vom FC Everton zeigt und schrieb auf englisch „in guter Gesellschaft heute Abend“, versehen mit einem zwinkernden Gesicht sowie der deutschen und türkischen Fahne.
„Im Londoner Luxushotel mit dem Despoten Erdogan zu posieren und ihn auch noch als ’meinen Präsidenten’ zu hofieren, während in der Türkei Demokraten verfolgt und kritische Journalisten inhaftiert werden, ist ein grobes Foul“, teilte Sevim Dagdelen, stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit. Spieler der deutschen Nationalmannschaft sollten sich bewusst sein, dass sie Vorbildfunktion hätten und für Fairplay stünden, nicht nur auf dem Rasen.
Innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sorgte die Aktion für helle Aufregung. Am Nachmittag gab Präsident Reinhard Grindel eine schriftliche Stellungnahme ab. Der DFB respektiere selbstverständlich die besondere Situation seiner Spieler mit Migrationshintergrund. „Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden“, kritisierte Grindel. Die Profis hätten sich für ein Wahlkampfmanöver „missbrauchen lassen“ und der Integrationsarbeit des DFB damit sicher nicht geholfen. Bitter für den Verband aus sportpolitischer Sicht: Er steckt mitten in der Bewerbungsphase für die Europameisterschaft im Jahr 2024 – gegen die Türkei. Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm, der einst mit Özil und Gündogan in der Nationalelf spielte, ist der deutsche EM-Botschafter. Nun kann sich Erdogan mit den beiden türkischstämmigen Fußballstars brüsten.
DFB-Teammanager Oliver Bierhoff kündigte eine Aussprache mit den Spielern an, die fixe Kandidaten im DFB-Team für die bevorstehende Weltmeisterschaft in Russland sind. „Die beiden waren sich der Symbolik und Bedeutung dieses Fotos nicht bewusst, aber natürlich heißen wir die Aktion nicht gut und besprechen das mit den Spielern“, ließ Bierhoff schriftlich mitteilen. Dazu betonte er: „Ich habe nach wie vor überhaupt keine Zweifel an Mesuts und Ilkays klarem Bekenntnis, für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu wollen und sich mit unseren Werten zu identifizieren.“
Derweil reagierte Gündogan am frühen Abend mit einer eigenen Stellungnahme. Er schrieb: „Zusammen mit Mesut, Cenk und weiteren Sportlern haben wir gestern Abend eine Veranstaltung einer türkischen Stiftung in London besucht. Wir finden es gut, dass es eine Stiftung gibt, die türkische Studenten im Ausland fördert und Ihnen damit eine internationale Karriere ermöglicht.“ Am Rande der Veranstaltung habe man den türkischen Staatspräsidenten getroffen. „Aus Rücksicht vor den derzeit schwierigen Beziehungen unserer beiden Länder haben wir darüber nicht über unsere sozialen Kanäle gepostet. Aber sollten wir uns gegenüber dem Präsidenten des Heimatlandes unserer Familien unhöflich verhalten? Bei aller berechtigten Kritik haben wir uns aus Respekt vor dem Amt des Präsidenten und unseren türkischen Wurzeln – auch als deutsche Staatsbürger - für die Geste der Höflichkeit entschieden.“ Es sei nicht die Absicht gewesen, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen. „Als deutsche Nationalspieler bekennen wir uns zu den Werten des DFB und sind uns unserer Verantwortung bewusst. Fußball ist unser Leben und nicht die Politik."
Vertreten werden Özil und Gündogan von der Spielerberatungsagentur „Family & Football“. Genannt als Berater wird Erkut Sögüt. Dieser hängt wiederum mit der Gesellschaft ARP Sportmarketing International in Hannover zusammen. Dort firmiert Sögüt auf der Internetseite als Vertreter des Unternehmens in Großbritannien. Besonders pikant: Chef von ARP ist Harun Arslan – der Berater von Bundestrainer Joachim Löw. Eine telefonische Anfrage an ARP wegen des umstrittenen Treffens in London wurde bis zum späten Montagnachmittag nicht beantwortet.
Erdogan bereitet sich auf den am 24. Juni anstehenden türkischen Präsidentschaftswahlen vor. In Deutschland darf er jedoch keinen Wahlkampf persönlich betreiben. Der Politiker zeigt sich gerne öffentlich an der Seite prominenter Fußballspieler. Kürzlich war er Trauzeuge von Arda Turan, der einst beim FC Barcelona spielte.
