Vor dem zweiten WM-Spiel : Keine deutsche Extrawurst
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Nachdenklich: Hansi Flick während der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Spanien. Bild: Reuters
Der DFB gibt vor dem Duell mit Spanien keine gute Figur ab und verstößt gegen eine FIFA-Regel. Der Antwort auf die Frage, ob sein Team noch zu den WM-Topfavoriten gehört, weicht der Bundestrainer aus.
Der Bundestrainer war der einzige deutsche Vertreter auf dem Podium der Pressekonferenz im Medienzentrum von Doha. Neben Hansi Flick saß nur ein Offizieller des Internationalen Fußballverbandes (FIFA), der durch die Fragerunde führte. Die linke Seite neben dem Bundestrainer bot dort unerwartet so viel Raum, wie die deutsche Abwehr beim 1:2 im Auftaktspiel gegen Japan.
Eigentlich hätte in Doha ein deutscher Spieler diesen Raum füllen müssen, das ist sogar eine Vorgabe der FIFA. Aber der Bundestrainer entschied, die Regel 44 der Turnierordnung, wonach auf der Abschlusspressekonferenz ein Spieler erscheinen soll, zu ignorieren. Ebenso eine damit drohende Geldbuße. Die Spanier, die vor den Deutschen mit ihrem Medienauftritt in Doha dran waren, hatten sich dagegen so verhalten, wie sich alle Teams bei dieser Weltmeisterschaft verhalten: Sie traten in Vollbesetzung an, mit Trainer Luis Enrique und dem Leipziger Profi Dani Olmo.
Dass die Deutschen bereits am Vorabend des für sie womöglich schon entscheidenden WM-Spiels gegen Spanien (20.00 Uhr MEZ im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-WM, im ZDF und bei MagentaTV) auf dem internationalen Medienparkett keine gute Figur abgaben, schien den Bundestrainer nicht weiter zu stören. Im Gegenteil. Flick zeigte sich, obwohl der DFB sich über die üblichen Gepflogenheiten hinweggesetzt hatte, stattdessen von der FIFA enttäuscht. Der internationale Verband, mit dem der DFB bei dieser Weltmeisterschaft ohnehin schon über Kreuz liegt, war zu seinem Unverständnis offenbar nicht auf den Wunsch des DFB eingegangen, die Pressekonferenz ins deutsche Quartier im Norden des Landes zu verlegen.
Aus der DFB-Logik folgte daraus: Flick fuhr aus dem weitab vom Schuss gelegenen Quartier alleine in die Hauptstadt. „Wir wollen keinem Spieler zumuten, so lange zu fahren. Wir sitzen fast drei Stunden im Auto, haben ein wichtiges Spiel vor uns. Alle Spieler sind wichtig, von der Nummer eins bis zur Nummer 26. Sie sollen sich in dieser wichtigen Phase aufs Training vorbereiten“, sagte der Bundestrainer zur Erklärung. Und fügte an die Adresse der FIFA hinzu: „Wir sind schon enttäuscht. Wir haben ein richtig gutes Medienzentrum, das wäre mit Sicherheit auch möglich gewesen. Das müssen wir akzeptieren, wie so vieles.“
So viel jedenfalls scheint vor dem Duell an diesem Sonntag mit Spanien sicher: Deutschland und die Weltmeisterschaft in Qatar bleibt eine komplizierte Beziehung, vermutlich ohne Happy End. Auf die sportlich zentrale Frage, die bei der internationalen Pressekonferenz auf den Tisch kam, ob Deutschland tatsächlich noch zu den Topfavoriten gehöre, gab der Bundestrainer erstmals eine ausweichende Antwort. „Das wird das Spiel am Sonntag zeigen“, so Flick. „Wir freuen uns auf dieses Spiel.“
Konkret wurde der Bundestrainer auch nicht, was die Mannschaftsaufstellung vor dem zweiten Gruppenspiel angeht, in dem sein Team womöglich nicht einmal ein Unentschieden reicht, um in der letzten Partie gegen Costa Rica noch auf den Einzug in die K.o.-Runde hoffen zu dürfen. Zur schwierigen Ausgangslage nach der Niederlage gegen Japan und der eigenen Einstellung dazu, sagte Flick nur so viel: „Wir werden eine Mannschaft sehen, die weiß, um was es geht. Und die bereit ist, alles dafür zu tun, dass wir uns die Tür zum Achtelfinale offen lassen.“
Sein Kollege Enrique sprach mit großem Respekt vom vierfachen Weltmeister. „Bei einer WM schaut man darauf, wie viele Sterne auf einem Trikot sind“, so der spanische Nationaltrainer. „Wenn eine Mannschaft bereit ist, ihre Dynamik zu ändern bei dieser Weltmeisterschaft, dann ist es Deutschland. Die deutsche Mannschaft hat einige Spieler auf Weltklasseniveau. Aber wir haben die Überzeugung, dass wir sie schlagen können.“
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass nach dem schwachen Auftritt von Niklas Süle als Rechtsverteidiger gegen Spanien Thilo Kehrer auf diese Position zurückkehren könnte. Der Profi von West Ham United hat in der Amtszeit von Flick bis zum WM-Start die meisten Einsatzzeiten aller Spieler.
Nico Schlotterbeck wiederum, der nicht nur beim Treffer zum 1:2 Schwächen zeigte, könnte für Süle als Innenverteidiger weichen. Ob er seine Startelf gegen Spanien schon im Kopf habe? „Ich schlafe noch eine Nacht darüber und schaue mir das Abschlusstraining an“, sagte Flick in Doha. „Morgen früh bin ich dann ein bisschen schlauer.“ Am Sonntagabend werden wir das dann alle sein.