Mats Hummels : Endlich Anführer
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Vorne treffsicher, defensiv stark: Mats Hummels steigt in der Hierarchie auf Bild: dpa
Im Nationalteam hat Mats Hummels lange Zeit gefremdelt. Die Hauptrolle beim Sieg gegen Frankreich steht für die Wende in der Karriere eines Unangepassten – nicht nur wegen seines Siegtreffers.
Erst war er zu Anfang der Woche krank, dann war er „früh platt“ und musste nach dem Spiel Wasser ohne Ende nachschütten“. Und schließlich war er als „Man of the Match“ bester Spieler des Tages an diesem glutheißen Freitagnachmittag in Rio de Janeiro. Es war der Tag und der Auftritt des Mats Hummels, der bei Borussia Dortmund längst mehr ist als nur ein herausragender Innenverteidiger. Beim BVB ist er neben Kapitän Kehl so etwas wie der Juniorchef, weil sein Wort dort gilt und der Abwehrboss fast immer etwas Kluges zu sagen hat. In der Nationalmannschaft aber ist Hummels erst seit Freitag, seit dem 1:0-Sieg gegen Frankreich, zu einem der Anführer aufgestiegen.
Das hat zwei Gründe: Wer sportliche Spitzenqualität liefert und sich dazu persönlich nicht verbiegen lässt, setzt sich auf Dauer auch gegen Widrigkeiten durch; wer dazu seiner Mannschaft, wie Hummels gegen die Franzosen, mit dem Treffer des Tages zum Sieg verhilft und auch noch das Ärgste mit gleich vier spektakulären Rettungstaten gegen den gefürchteten Karim Benzema verhindert, steigt in der Hierarchie eines Teams unweigerlich auf.
Hummels genießt ohne Eigenlob
Der Mann, der die Deutschen mit einem wuchtigen Kopfballtor (13. Minute) ins Halbfinale gegen Brasilien katapultierte, prägt neben dem fabelhaften Torhüter Manuel Neuer das deutsche Profil bei der WM und wird auch am Dienstag in Belo Horizonte wieder gefragt sein, die Abwehr gegen den Rekordweltmeister zusammenzuhalten – und dazu womöglich einen weiteren Kopfballtreffer nach einem Eckball oder Freistoß von Toni Kroos zu erzielen wie beim 4:0 gegen Portugal und beim 1:0 über die Franzosen.
„Es ist unglaublich“, sagte Hummels nach dem Sieg gegen die Franzosen, „was bei der WM alles klappt.“ Selbst Bundestrainer Löw, früher auch gern ein strenger Kritiker des 1,92 Meter langen Verteidigers mit dem Zeug zum Weltklassemann, jubilierte: „Mats war heute sensationell. Es ist beeindruckend, wie er in die Tacklings geht und immer zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle steht.“
Endlich eine unumstrittene Größe im Nationalteam, genoss Hummels seinen Auftritt ohne jedes Eigenlob, was zu einem kritischen Geist, der er ist, passte. Sich nach schwierigen Zeiten – auch im Verhältnis zu Löw – allein mit seiner Klasse und ohne jede Unterwürfigkeit durchgesetzt zu haben, spricht für den Sohn eines Fußballlehrers und einer Sportjournalistin. Für ihn ist selbständiges Denken und auch eine gelegentlich unbequeme Meinung pure Selbstverständlichkeit. Das akzeptiert such sein Vereinstrainer Jürgen Klopp, dem in puncto Schlagfertigkeit, Wortwitz und Rhetorik kein anderer Bundesligatrainer nahe kommt. Hummels hat mit Klopp auf dem Trainingsgelände in Dortmund-Brackel auch schon heiße, manchmal sogar laute Diskussionen geführt – die die beiden aber locker ausgehalten haben.
In der vogelwilden Abwehr wurde er vermisst
Löw ist anders, er sucht nach Harmonie, scheut im Grunde Konflikte – und konnte deshalb mit dem gelegentlich sperrigen Hummels lange nicht so viel anfangen wie mit einer Reihe anderer Stammspieler. Ein solcher war Hummels zwar längst im weiteren Sinne, doch bis zur WM-Vorbereitung schien er eher der dritte Mann hinter Per Mertesacker und Jerome Boateng in der Innenverteidigung zu sein. Weil aber Kapitän Philipp Lahm seine neue Lieblingsposition im defensiven Mittelfeld gefunden zu haben glaubte und nicht mehr so gern rechter Verteidiger sein wollte, Boateng deswegen auf Lahms alten Stammplatz rückte, bildeten zunächst Hummels und Mertesacker den zentralen Abwehrblock.