WM-Serie: 1934 : Die unerbittliche „Squadra Azzurra“
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Für Mussolini war die WM eine Propaganda-Schau Bild: AP
Die erste Fußball-Weltmeisterschaft in Europa durfte 1934 Italien ausrichten - und nutzte den Heimvorteil mit Unterstützung der Schiedsrichter zum Titelgewinn.
Jeden Montag und Freitag blickt FAZ.NET bis zum Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland in einer Serie auf die vergangenen Turniere zurück. Der zweite Teil beschäftigt sich mit dem Turnier 1934 in Italien.
Italien durfte die erste WM in Europa ausrichten - und nutzte den Vorteil zum Titelgewinn. Für die Faschisten um „Duce“ Mussolini eine willkommene Propaganda. Der Sportjournalist Vittorio Pozzo hatte aus Individualisten ein Team zusammengeschweißt, das auf dem Feld keine Gnade kannte und sich der Unterstützung der Schiedsrichter gewiß sein konnte.
Für den bösen Ruf der Squadra Azzurra war vor allem ein Spieler verantwortlich: Luis Monti, der Argentinien nach dem verlorenen WM-Finale 1930 verlassen und die Staatsbürgerschaft seiner italienischen Eltern angenommen hatte. Monti war zum eisenharten Stopper umgeschult worden. Als er gegen Österreich den glänzenden Sindelar krankenhausreif trat, schrien die neutralen Beobachter empört auf. Doch der schwedische Schiedsrichter Eklind wagte es in Mailand nicht, einen Platzverweis auszusprechen.
Ungesunde Härte
Zum Eklat aber kam es im Wiederholungsspiel gegen Spanien. Die erste Viertelfinal-Partie hatte beim 1:1 nach Verlängerung keine Entscheidung gebracht. Im zweiten Versuch, den die Spanier ohne sieben Opfer der italienischen Härte bestreiten mußten, gab der von den Italienern angeforderte Schweizer Schiedsrichter Mercet einen irregulären Treffer der Azzurri, versagte den Iberern auf der anderen Seite aber die Anerkennung des korrekten Ausgleichs. Als der Unparteiische später lebenslang gesperrt wurde, war Italien durch ein 2:1 gegen das bessere Team der Tschechoslowakei längst Weltmeister.
Deutsche Elf mit englischem System
Deutschland feierte beim ersten Turnier im K.o.-System sein Debüt unter Reichstrainer Otto Nerz. Der Doktor und sein Assistent Sepp Herberger hatten das Team „englisch“ eingestellt, mit einem hängenden Mittelläufer Fritz Szepan aus Schalke, der glänzend Regie führte, und Größen wie Paul Janes, Reinhold Münzenberg und Karl Hohmann. Dennoch drohte gegen Belgien bereits in der Vorrunde das Aus. Doch der Lauterer Mittelstürmer Conen machte mit einem Hattrick aus einem 1:2 zur Pause noch einen 5:2-Sieg. Als Deutschland in der Zwischenrunde in Mailand Schweden 2:1 besiegte, war ein neuer Geheimtip entdeckt.
Daß aus dem Finale Italien gegen Deutschland nichts wurde, lag an der Tschechoslowakei, die das Halbfinale 2:1 gegen die Nerz-Schützlinge gewann. Einen Trost aber hatte die Mannschaft dennoch: Durch ein 3:2 gegen den Erzrivalen Österreich sprang zumindest Platz drei heraus. Ein Ergebnis, mit dem vorher niemand gerechnet hatte. Die deutschen Amateure hatten es den Profis gezeigt.