Angstgegner Schweden : Regenschlacht und Hexenkessel
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Deutscher Angstgegner: Schweden Bild: dpa
Im 777. Spiel ihrer Länderspielgeschichte wartet am Samstag im WM-Achtelfinale ein Angstgegner auf die deutsche Mannschaft. „Gegen Schweden gewinnt man nur durch Kraft und Kampf, Schnelligkeit und Härte“, schrieb schon Sepp Herberger.
Im 777. Spiel ihrer Länderspielgeschichte wartet ein Angstgegner auf die deutsche Nationalmannschaft. Die Wahrscheinlichkeit, daß es ein WM-Achtelfinale unter besonders schwierigen Umständen wird, ist groß. Denn das war immer so, wenn man bei einer Weltmeisterschaft auf Schweden traf. Es gab drei Begegnungen: zwei Regenschlachten und einen Hexenkessel.
Warum Angstgegner? Nimmt man das historische Kuriosum der 0:1-Niederlage gegen die DDR von 1974 aus, dann hat Deutschland nur gegen vier europäische Gegner eine negative Länderspielbilanz: gegen die früheren Weltmeister Italien (7 Siege/8 Remis/13 Niederlagen), Frankreich (8/5/10) und England (11/4/14) - und ausgerechnet gegen Schweden (12 Siege/6 Remis/13 Niederlagen). Hinter dem Ausnahmefall Luxemburg, der immer noch von einem Sensationssieg von 1939 zehrt, hat Schweden von allen Ländern die günstigste Quote von Siegen pro Einwohner: Auf je 685.000 Schweden kommt ein Erfolg gegen Deutschland.
Der „weiche Helmut“
Die Nationalcharakteristik des schwedischen Fußballs hat deutschen Gegnern in Sachen Physis, Kampfbereitschaft und kerniger Männlichkeit von jeher alles abverlangt. Das war schon so beim ersten WM-Duell, 1934 im Mailänder San-Siro-Stadion. Unter Regie von Fritz Szepan gewann Deutschland im Dauerregen das Viertelfinale durch zwei Tore von Karl Hohmann 2:1 und belegte beim WM-Debüt Platz drei. „Die Stürmer sind zu weich! Keine Kämpfer!!“ notierte Reichstrainer Sepp Herberger 1941 nach dem 2:4 in Stockholm in sein Notizbuch. „Gegen Schweden gewinnt man nur durch Kraft und Kampf, Schnelligkeit und Härte!“ Der Schuldige aus Herbergers Sicht war der Mittelstürmer (und spätere Assistent und Nachfolger Herbergers): der weiche Helmut Schön.
17 Jahre später, Herberger war inzwischen Bundestrainer und Weltmeister, verlor die DFB-Auswahl das vielleicht hitzigste Duell ihrer gesamten WM-Geschichte. Es gab Kampf und Härte, wie von Herberger gefordert, aber diesmal gab es im Anschluß sogar einen regelrechten Schwedenhaß in Deutschland.
„Heja, heja“, der hysterische Schrei der 50.000
Das geschah im WM-Halbfinale 1958 in Göteborg, Gastgeber Schweden gegen Titelverteidiger Deutschland. Das Nervenkostüm der Deutschen war vor der Partie schon angespannt genug. Ganz kurzfristig erst war sie von Stockholm nach Göteborg verlegt worden. Herberger war empört. Die deutsche Delegation mußte sich auf die Schnelle ein neues Quartier suchen. Dort war der Trainingsplatz in schlechtem Zustand, aus den Leitungen des Hotels floß Salzwasser. Für die deutschen Fans gab es, eine weitere Schikane, keine Tickets, nicht mal für die, die sich schon vorab eins fürs Halbfinale besorgt hatten - erst nach langem Hin und Her kamen rund 1000 Deutsche ins Stadion.
Die Atmosphäre im Ullevi-Stadion war aufgepeitscht durch „Blockwarte“ mit Megaphonen und Schwedenfahnen. Der Reporter Gerd Krämer schrieb: „Über allem, wie der Deckel über einem Opiumtopf, der hysterische Schrei der 50.000. Heja, heja.“ Herbergers Team gelang nach 24 Minuten die Führung durch Schäfer. Acht Minuten später glich Skoglund aus, wobei die Deutschen ein Handspiel reklamierten. Mehr und mehr sahen sich Herbergers Leute von Schiedsrichter Zsolt benachteiligt, ausgerechnet ein Ungar - vier Jahre nach dem „Wunder von Bern“, dem in Ungarn als nationale Tragödie empfundenen deutschen Sieg über das „Goldene Team“ um Puskas & Co.