Mit Beckenbauer unterwegs : Tour de Franz
- -Aktualisiert am
Berlin, 13. Juni - mit Bundeskanzlerin Merkel Bild: picture-alliance/ dpa
Keine Fußballfeier ohne Franz Beckenbauer. Der WM-Organisationschef ist momentan allgegenwärtig. Mit kleinen Tricks will er mehr als 40 Spiele live vor Ort sehen. Die tägliche Deutschland-Reise des ranghöchsten Fußballdiplomaten.
Am Anfang schien er allgegenwärtig. Kein Spiel, keine Fußballfeier ohne Franz Beckenbauer. Die Weltmeisterschaft und ihr Organisationschef, das hieß Dauerpräsenz von Stadion zu Stadion. Der Münchner beehrte bis zum Samstag 19 der ersten 24 WM-Begegnungen persönlich. Ob um 15, 18 oder 21 Uhr in Frankfurt, Leipzig, Hamburg oder München gespielt wurde, egal, der „Kaiser“ hielt, zuzeiten neben adligen Persönlichkeiten wie Prinz William sitzend, auch hof - freundlich, bescheiden, zurückhaltend wie immer, wo er gefragt ist.
Und natürlich war er dabei stets formvollendet, akkurat, knitterfrei gekleidet - gerade so, als wäre Deutschlands ranghöchster Fußballdiplomat jeden Tag auf Staatsbesuch. Die Sakkos, die Anzüge, die Hemden, die Krawatten, alles paßte in dieser ersten heißen WM-Woche, die einem wie ihm nicht mal ein Schweißperlchen auf die Stirn trieb. Die ihn besser kennen, wollten manchmal eine leichte Müdigkeit in den milden Gesichtszügen des entspannten Mehrfachweltmeisters entdeckt haben, doch vielleicht trog ja auch das Bild der Kameras.
Das Ziel: Mehr als 40 Spiele vor Ort sehen
Sei es, wie es sei: Inzwischen hat sich Deutschlands noch immer erste Fußball-Autorität im Zweifel für einen Standardfahrplan entschieden: Um 15 Uhr ist er ebenso gern und pünktlich zum Anpfiff dabei wie um 21 Uhr; die 18-Uhr-Spiele auch noch dazwischenzubekommen hat sich selbst für den ubiquitären Beckenbauer als überaus verzwickt herausgestellt. Etwas später ankommen, etwas früher gehen - welcher Zuschauer macht das schon gern bei Spielen, die er sehen möchte?
Immerhin wird Franz Beckenbauer bei der von ihm nach Deutschland geholten Weltmeisterschaft am Ende über 40 der 64 Spiele an Ort und Stelle gesehen haben. Das sind Planziele, die er auch deshalb erreicht, weil ihm der WM-Sponsor Emirates Airlines einen Helikopter zur Verfügung gestellt hat. Vier Piloten gehen für und mit Beckenbauer in die Luft.
„Wir leben in einem Paradies“
Was er von oben sieht, hat der Münchner in Tirol allen, die es sich leisten können, als Urlaubsempfehlung für die Zeit nach der WM mit auf den Weg gegeben: „Wer es sich leisten kann, unser Land vom Hubschrauber aus anzusehen, wird schnell feststellen: Wir leben in einem Paradies. Deutschland ist ein wunderschönes Land.“ Der Helikopter in arabischer Hand bringt den Präsidenten des Organisationskomitees (OK) auch nach den Abendspielen meistens wieder zurück nach Frankfurt, wo Beckenbauer während des Turniers in einem Neu-Isenburger Hotel logiert.
Beweglich zu sein ist alles für den Mann, der wie kaum ein anderer binnen Minuten entspannen und frische Kräfte mobilisieren kann. Wenn möglich, wandert Beckenbauer eben zum Auffüllen der Batterien durch den Wald rund um seine Herberge, so daß ihm sein Freund, der OK-Vizepräsident Wolfgang Niersbach, schon zugerufen hat: „Franz, verlauf dich nicht. Wir brauchen dich noch!“
„Die Weltmeisterschaft ist herrlich“
Die erste Woche der WM hat Franz Beckenbauer jedenfalls als pure Freude und Wohltat empfunden, zumal er auch in Städten wie Dortmund oder Gelsenkirchen, wo er früher als vermeintlich arroganter Libero des FC Bayern München nicht immer wohlgelitten war, nur noch dankbare Freunde traf. In Hamburg hat ihn neulich auch der Altrocker Udo Lindenberg umarmt, mit dem Beckenbauer bisher überhaupt keine Beziehung verband.
Nach all den oft kleinlichen Querelen zuvor und den vielen Bedenken dieser oder jener Interessengruppe empfindet der deutsche Leiter des Großprojekts WM das überaus erfreulich angelaufene Weltereignis des Sports wie einen Befreiungsschlag. „Die Weltmeisterschaft ist herrlich“, hat Beckenbauer am Donnerstag gesagt, „ich bin begeistert über die Euphorie im ganzen Land und kriege sie auf meinen Reisen hautnah mit.“