Hooligans in Polen : Haftstrafen für die „Dummköpfe“
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Gewalt auf offener Straße: Hooligans in Warschau Bild: imago sportfotodienst
Nach den Krawallen in Warschau kämpft Polen gegen Hooligans und um sein Image als Gastgeber. Die ersten Urteile wurden bereits gefällt. Doch der Kampf geht auch nach der EM weiter.
Grzegorz ist zugeknöpft. Seinen richtigen Namen will er nicht nennen. Sieben Wochen vor dem Anpfiff der Europameisterschaft testet Legia Warschau in einem Freundschaftsspiel gegen FC Sevilla das neue Nationalstadion, und Grzegorz ist dabei. Er steckt in einem weißen Kapuzenpulli, ohne den ein echter Legia-Fan nicht aus dem Haus geht.
Grzegorz’ kahlrasierter Kumpel trägt einen schwarzen. „White Power“ steht auf seinem Rücken. Auf der Kapuze zeigt ein kleiner Aufnäher ein Verbotsschild mit den durchgestrichenen Symbolen des Kommunismus, Hammer und Sichel. Was das bedeutet? Grzegorz bleibt einsilbig. „Das wisst ihr doch selbst.“
Im Stadion haben die Fans Banner enthüllt, sie tragen kryptische Zeichen, die an keltische Kreuze und Hakenkreuze erinnern, und Aufschriften wie „White Legion“ oder „Nieznani Sprawcy“ - unbekannte Täter. Kein Zufall, dass die Initialien eine doppelte Bedeutung haben: „NS“ prangt auf einer überdimensionierten Rasierklinge. Daneben hängt das Symbol einer bekannten Hooligan-Gruppe, der Teddy Boys. Solche Szenen sind im polnischen Fußball an der Tagesordnung.
Imagepflege auf höchster Ebene
Seit sich am Dienstag rund hundert russische und polnische Hooligans am Rande des Vorrundenspiels der beiden Mannschaften geprügelt haben, hat das Thema Gewalt und Rassismus auch die Europameisterschaft eingeholt. Als russische Fans zum Stadion marschierten, gerieten etwa hundert Anhänger beider Mannschaften aneinander. Es kam zu Schlägereien. Steine und Flaschen flogen, zahlreiche Personen wurden verletzt, 184 Fans wurden festgenommen.
Auf höchster Ebene ist man nun um Imagepflege bemüht: Ministerpräsident Donald Tusk, der schon lange einen politischen Kampf gegen die Hooligans führt, kündigte „eiserne Konsequenzen“ gegen einige hundert „Dummköpfe“ an. Außenminister Radoslaw Sikorski appellierte gestern an die Gerichte, die „Fanbanditen richtig und streng“ zu behandeln.
Die ersten Urteile wurden bereits gefällt: Sieben Fußball-Hooligans sind zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt worden. Bestraft wurden vorerst zwei Russen, zwei Spanier und drei Polen. Die zwei Russen wurden am Freitagabend des Landes verwiesen. Für die kommenden fünf Jahre dürfen sie zudem nicht in Länder der Schengen-Zone einreisen. Mehr als 100 Verfahren stehen noch an.
Die polnischen Klubs sind für ihre aggressiven Fans berüchtigt. Im Nordosten des Landes sind die Fans von Jagiellonia Bialystok für ihre Gewaltbereitschaft verschrieen, aber auch die von Slask Breslau, Legia Gdansk und Legia Warschau genießen keinen guten Ruf. Immer wieder kommt es zu hasserfüllten Parolen und Übergriffen. In Rzeszow im polnischen Südosten zeigten Fans ein Plakat mit der Aufschrift „Tod den Hakennasen“.
„Bei der EM geht es nicht nur um Autobahnen“
“Es gibt viele Polen, die sich nicht zu Ligaspielen ins Stadion trauen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen internationalen Turnieren und der polnischen Liga“, sagt Rafal Pankowski. Seine Initiative Nigdy wiecej (“Nie wieder“) hat rassistische Vorfälle in den Stadien und rund um den Fußball in der Ukraine und in Polen zusammengetragen.
Der 65 Seiten starke Bericht trägt den Namen „Hasserfüllt“ und dokumentiert 195 Fälle von rassistischen, antisemitischen und homophoben Aktionen, die sich zwischen September 2009 und März 2011 in den Stadien und auf dem Platz ereignet haben. 133 davon in Polen.
Lange ging die polnische Regierung nur repressiv gegen gewaltbereite Fans vor und verhängte Sanktionen. Inzwischen spielt die Prävention eine größere Rolle. „Nigdy wiecej“ wird von der Uefa unterstützt, verteilt „Werkzeugkästen“ mit pädagogischem Material an die Vereine und erteilt Ratschläge, wie man Rassismus begegnen kann.