Das Regenbogenthema auf den Rasen getragen: Kurz vor Beginn des Spiels stürmt ein Fan auf den Platz Bild: AP
Vom Dackel bis zum Außenminister: Viele bekennen Farbe im Sinne des Regenbogen-Protestes. In der Arena sind zwar nur wenige Fahnen zu erkennen, aber die negative Wirkung der Debatte.
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Auf dem Weg, der von der U-Bahn-Station Fröttmaning zur Fußballarena führt, liegt ein Mann vor einem Dackel mit Regenbogen-Halskette. Der Mann wartet, bis der Dackel ihn mit heraushängender Zunge anstarrt, dann drückt er auf den Knopf an seiner Kamera. Und als er einen danach auf diese schauen lässt, sieht man ein Bild, das das Thema des Tages auf sehr kreative Art eingefangen hat. Im Vordergrund ein Dackel mit einer Halskette, der in den Farben des Protests geschmückt ist und im Hintergrund eine Arena mit grauer Fassade, die nicht in den Farben des Protests geschmückt werden durfte.
Es ist Mittwochabend in München, in drei Stunden fängt das Vorrundenspiel der Europameisterschaft zwischen Deutschland und Ungarn an. Das ist eigentlich der Zeitpunkt, an dem die deutschen Fans über die Aufstellung diskutieren, aber die, die von der U-Bahn-Station zur Arena spazieren, hört man nicht diskutieren, zumindest nicht über die Aufstellung. Auf dem Weg kommen sie vielen Aktivistinnen und Aktivisten entgegen – die meisten von ihnen tragen eine gelbe Jacke mit der Aufschrift von Amnesty International, die ihnen kleine Regenbogenfahnen in die Hand drücken. Sie haben für alle etwas Regenbogenbuntes. Sogar für den Dackel.
Am Tag vor dem Spiel hat die Europäische Fußball-Union (UEFA) einen Antrag des Stadtrats aus München abgelehnt, der die Arena in den Farben des Regenbogens leuchten lassen wollte. Als allgemeines Signal für Toleranz und als spezielles Signal gegen ein Gesetz, für das das ungarische Parlament vor einer Woche mit großer Mehrheit gestimmt hat und das unter anderem die Aufklärung über Homo- und Transsexualität in der Schule verhindern soll. Ein politischer Protest, dem die UEFA keine große Bühne geben wollte – und mit ihrer Ablehnung vermutlich eine noch größere Bühne gegeben hat.
Am Tag des Spiels kommt man an den Regenbogenfarben nicht vorbei. Wer sich zum Beispiel in der App der Münchner Verkehrsgesellschaft ein U-Bahn-Ticket für die Fahrt zur Arena kaufen will, stößt auf sie. Es sind viele Institutionen und Unternehmen, die sich vor allem im Internet in regenbogenbunt präsentieren. Das kommt nicht in allen Fällen gut an. Da wäre etwa die UEFA, die in einer Mitteilung erklärt, dass der Regenbogen für sie „kein politisches Symbol, sondern ein Zeichen unseres Engagements für eine vielfältigere und integrativere Gesellschaft“ sei.
Da wäre auch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, kurz Frontex, der immer wieder vorgeworfen wird, an den Außengrenzen der EU die Menschenrechte zu missachten. Auf Twitter wird das angemerkt. Dort meldet sich dann auch der deutsche Außenminister Heiko Maas. Er schreibt: „Es stimmt, auf dem Fußballplatz geht‘s nicht um Politik. Es geht um Menschen, um Fairness, um Toleranz. Deshalb sendet die @UEFA das falsche Signal. Aber man kann heute ja zum Glück trotzdem Farbe bekennen – im Stadion und außerhalb.“ Am Ende des Posts fügt er einen Zwinkersmiley an und einen Hashtag: #MuenchenMachEsTrotzdem.
In München machen manche das auch. Auf den letzten Metern zum Stadion werden viele Fans mit Regenbogenflaggen ausgestattet. In der großen Arena gehen die kleinen Fahnen aber unter. Man kann sie kaum erkennen. Und trotzdem wird das Politische an diesem Abend sichtbar. Und hörbar. Als die deutschen Spieler sich warmlaufen, singen die Fans im ungarischen Block: „Deutschland, Deutschland, homosexuell.“ Als die deutschen Spieler sich für die Nationalhymne aufstellen, drehen sie ihnen den Rücken zu.
Und wie reagieren die deutschen Fans? Am Mittag hat der Regierungssprecher Steffen Seibert in der Bundespressekonferenz gesagt: „Ich plädiere dafür, dass wir die ungarische Mannschaft, die mit all dem nichts zu tun, freundlich, sportlich, fair empfangen.“ Sie drehen sich nicht weg, als die Nationalhymne Ungarns gespielt wird, aber ein deutscher Fan an den Sicherheitskräften vorbei mit einer Regenbogenflagge auf den Rasen, stellt sich vor die Spieler und hält die Flagge hoch. Die Arena applaudiert.