Fußball-EM in Polen : Das Herz schlägt für Podolski
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Zwei für Deutschland: Klose (im Foto links) und Podolski verließen Mitte der achtziger Jahre Polen Bild: dpa
Der eine gilt als netter Junge, der andere als unnahbar: In ihrem Geburtsland Polen werden die beiden deutschen Fußball-Nationalspieler Lukas Podolski und Miroslav Klose völlig unterschiedlich wahrgenommen.
Als Miroslav Klose und Lukas Podolski Mitte der achtziger Jahre Polen verließen, war ich 16. Meine Cousine, ihr Mann und ihre Kinder waren bereits im Ausland, ein weiterer Cousin packte gerade seine Sachen. „Das Leben hier ist ein Scherbenhaufen, in dieser Stadt muss man Wodka saufen“, sang seinerzeit der Krakauer Straßenbarde Maciej Malenczuk am Florianstor in der Altstadt. Das Lied gab die allgemeine Stimmung nach der Niederschlagung der Solidarnosc-Revolution durch die Kommunisten wieder.
Wer konnte, reiste in den Westen
Eine im Niedergang begriffene, aber immer noch über einen gewaltigen Repressionsapparat verfügende Staatsmacht, eine erschöpfte und kraftlose Opposition, leere Regale in den Geschäften, es war eine schwierige Zeit, keine Freiheit in Sicht und keine Hoffnung auf eine Besserung der ökonomischen Lage. Wer konnte, reiste in den Westen aus. Der Historiker Dariusz Stola schätzt, dass in den achtziger Jahren über eine Million Bürger, mehrheitlich junge, gut ausgebildete Menschen, das Land verließen. Eine Million, fast drei Prozent der Bevölkerung. Hinzu kamen noch jene, die schon früher emigriert waren. Nach Angaben des polnischen Außenministeriums reisten im kommunistischen Polen und in den ersten Jahren nach der Wende allein nach Deutschland 1,5 Millionen Spätaussiedler aus.
Das alles bedeutet, dass nicht nur ich, sondern ein beträchtlicher Teil der Polen jemanden kennt, der vor dem Dilemma „bleiben oder gehen?“ stand - und der gegangen ist. Ein beträchtlicher Teil der Polen, das bedeutet auch: ein beträchtlicher Teil der polnischen Fußballfans. Auch sie hatten Verwandte, die ausgereist sind und sie später zu sich ins „gelobte Land“ einluden oder auf dem langen Weg dorthin wenigstens Päckchen schickten, die wie Manna vom Himmel fielen. Wer sich an den Geschmack der Toblerone-Schokolade erinnert, welche die Cousine aus Hamburg schickte, wird Lukas Podolski oder Miroslav Klose nicht als Verräter betrachten.
Das Weltbild des durchschnittlichen Fußballfans wird durch die Boulevardzeitungen geprägt. Die polnischen Blätter zeichnen vom Lazio-Profi Klose und vom zukünftigen Arsenal-Stürmer Podolski zwei ganz unterschiedliche Bilder. Lukas Podolski, der nette Junge, der seinen Geburtsort nicht vergessen hat und Fan des polnischen Vereins Górnik Zabrze ist, spricht viel und gerne Polnisch (auch mit Journalisten), hält sich oft in Polen auf, finanziert den Bau einer Schule in Warschau und ließ sich im masowischen Dorf Kamionna kirchlich trauen. Aber für den Fußballfan zählt vor allem eines: Podolski wollte für die polnische Nationalmannschaft spielen.
Schuld, dass es dazu nicht kam, haben die Funktionäre des polnischen Fußballverbandes, die nicht schnell genug reagierten. „Anfangs hat sich niemand besonders für mich interessiert“, sagte Podolski. „Dann fing ich an, für die deutsche Jugendnationalmannschaft zu spielen, und meine Karriere ging steil nach oben. Niemand bot mir an, für Polen zu spielen, als das noch möglich war. Was hätte ich tun sollen? Etwa nach Polen fahren und darum bitten, jemand von der Nationalmannschaft möge sich für mich interessieren?“