20 Jahre Bierhoff-Golden-Goal : Es ist Zeit für eine neue Geschichte
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Grenzenloser Jubel: Oliver Bierhoff erzielt 1996 das erste Golden Goal der EM-Geschichte Bild: dpa
Vor zwanzig Jahren schoss Oliver Bierhoff Deutschland mit einem Golden Goal zum EM-Titel. Das damalige Tor hat dem heutigen DFB-Teammanager den Weg bereitet – aber auch der aktuellen Nationalmannschaft.
Mit der alten Geschichte muss er bei der Nationalelf niemandem mehr kommen. Das weiß Oliver Bierhoff nur zu gut. Aber die alte Geschichte kommt einfach immer wieder zu ihm, dagegen lässt sich nichts machen. Es gibt im deutschen Fußball schließlich keine bessere, zumindest was Europameisterschaften angeht. Auf den Tag genau zwanzig Jahre also lag am Donnerstag Bierhoffs Golden-Goal-Story, die sein Fußball-Leben in ein Davor und ein Danach aufteilte, zurück, als er zur Jubiläumsfeier und zum Ausblick auf das große Viertelfinal-Duell mit Italien am Samstag (21 Uhr / Live in der ARD und im EM-Ticker auf FAZ.NET) auf der Pressekonferenz erscheint. Eingewechselt worden war er damals kurz vor Schluss, es stand 0:1 gegen die Tschechen. Dann gelang ihm der Ausgleich, und in der Verlängerung das legendäre Golden Goal. „Ohne dieses Tor würde ich heute vielleicht nicht hier sitzen.“
Es lässt sich hinzufügen: Andreas Köpke, die deutsche Nummer eins von damals, wäre heute wohl auch nicht Torwarttrainer. Und wenn man die Folgen dieser Treffer recht bedenkt, gründet auf ihnen die gesamte jüngste Erfolgsgeschichte, der große deutsche Fußballaufbruch seit 2004. Auch Jürgen Klinsmann, der Kapitän der 96er Europameister, wäre ohne diesen Triumph vor zwölf Jahren kaum Bundestrainer geworden, und niemand hätte dann Joachim Löw aus der Arbeitslosigkeit geholt und ihn zum Assistenztrainer der Nationalmannschaft gemacht.
„Nur mit vager Erinnerung“
Zwanzig Jahre also wartet die Fußballnation nun schon auf den nächsten EM-Titel. Und als Bierhoff am Donnerstagmorgen mit Leroy Sané zum Training fuhr, hatte für ihn die Zeitspanne zwischen dem Sieg von Wembley und dem erhofften EM-Triumph in Paris plötzlich eine ganz menschliche Form angenommen. „Leroy ist im Januar 1996 geboren. Er schaut sich das in Évian jetzt nur mit vager Erinnerung im Fernsehen an“, sagt Bierhoff mit einer gewissen Ungläubigkeit, wie weit dieser Erfolg schon zurück liegt. „Daher ist es wirklich Zeit, dass wir mit dieser Mannschaft eine neue Geschichte schreiben.“
Die Fußballnation wartet sehnlich darauf, ebenso auf einen Sieg über Italien. Der Manager war bei seinem Jubiläum, seinem eigentlichen Geburtstag als deutscher und internationaler Fußballstar, auch als Kenner und Liebhaber Italiens gefragt. Er ist bis heute der einzige deutsche Spieler, dem es gelungen ist, Torschützenkönig der Seria A zu werden. Der einstige Mittelstürmer von Ascoli, Udinese und Milan, der von 1991 bis 2001 in Italien heimisch war, blieb in Èvian daher auch von italienischen Medien umringt. Und die Wertschätzung der einstigen, ganz klassischen deutschen Neun für den italienischen Fußball war ungebrochen. „Italien ist sicher der schwerste Brocken, auf den wir treffen konnten.“
Bierhoff denkt dabei gar nicht an die furchterregende Statistik bei den großen Turnieren. Vom 0:0 bei der WM 1962 unter Bundestrainer Herberger (im italienischen Tor übrigens Lorenzo Buffon, Cousin eines Großvaters von Gianluigi Buffon), über das 3:4 im WM-Halbfinale 1970 in Mexiko mit Seeler, Beckenbauer und Müller, dem 1:3 im WM-Finale von 1982 mit Breitner und Rummenigge, dem 0:2 im WM-Halbfinale 2006 mit Kahn und Ballack bis hin zum 1:2 vor vier Jahren - niemals konnten die Deutschen in acht Spielen gegen die Italiener gewinnen. Es reichte nur zu vier Unentschieden.