Das war’s: Joachim Löw an seinem letzten Tag als Bundestrainer. Bild: dpa
Die Ära Löw endet mit dem EM-Aus. Am Tag danach spricht er ein letztes Mal als Bundestrainer. Der Frust ist spürbar. Löw sieht aber auch eine „sehr, sehr gute Zukunft“ der DFB-Elf.
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Der Bundestrainer trug schwarz. Passend zur traurigen Stimmungslage im Kreis der deutschen Fußball-Nationalmannschaft betrat Joachim Löw mit dunklem Kapuzenpulli am letzten Tag seiner Zeit im höchsten Fußballtraineramt der Republik um Punkt 12.30 Uhr das Podium im Basiscamp in Herzogenaurach, um nochmal Bilanz zu ziehen nach dem deprimierenden Aus bei der Europameisterschaft. Nach dem 0:2 im Wembleystadion am Dienstagabend in London gegen England endete das Turnier schon nach dem Achtelfinale und damit die 15 Jahre währende Ära von Löw.
In der Pressekonferenz, die er zusammen mit Oliver Bierhoff, Direktor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bestritt, übernahm Löw die volle Verantwortung für das Scheitern, sieht allerdings auch eine positive Perspektive für das Team. „Ich glaube, dass diese Mannschaft und einige Spieler, die mit Sicherheit auch die nächsten Jahre dabei sind, wirklich eine sehr, sehr gute Zukunft vor sich haben und vielleicht auch diesen Erfolg erreichen, den sie sich alle wünschen“, sagte der 61-Jährige. „Ich wünsche natürlich auch meinem Nachfolger Hansi Flick alles, alles Gute und viel Erfolg. Mein Herz schlägt weiterhin schwarz-rot-gold.“
Mit diesem Tag endet die Zeit von Löw, der das Team 2014 zum WM-Titel geführt hatte. Der Frust am Mittwochmittag war greifbar. „Es tut mir leid, dass wir unsere Fans enttäuscht haben und nicht die Begeisterung ausgelöst haben, die wir uns vor dem Turnier vorgenommen haben“, sagte Löw. „Es liegt in meiner Verantwortung und ich übernehme natürlich auch die Verantwortung für dieses Ausscheiden ohne Wenn und Aber. Daher braucht es etwas Zeit, um diese Enttäuschung wirklich zu verarbeiten. Ich denke, dass es 15 sehr lange Jahre waren für mich mit vielen schönen Momenten und natürlich auch mit Enttäuschungen.“
„Die Nacht war kurz“
Über die genauen Gründe für das Aus wollte sich Löw nicht groß auslassen. „Ins Detail zu gehen, dazu bin ich jetzt nicht in der Lage“, sagte der scheidende Bundestrainer. Er selbst nehme mit dem WM-Triumph viele Momente mit, „die man nicht vergisst. Dafür bin ich wahnsinnig dankbar, dass ich das erleben konnte.“ Nach dem Aus von London aber überwog der große Frust. „Man hat bei allen auch gemerkt, die Nacht war kurz. Niemand konnte in der Nacht die Ruhe finden. Die Enttäuschung und die Niedergeschlagenheit waren schon riesengroß. Die Spieler werden auch ein paar Tage brauchen.“
Um kurz vor 1.00 Uhr landete am Mittwoch die DFB-Chartermaschine wieder in Nürnberg. Löw verließ den Flieger als Erster. Auf dem Rollfeld des Nürnberger Flughafens bestiegen die Spieler um Kapitän Manuel Neuer zwei Mannschaftsbusse und fuhren eskortiert von der Polizei weiter ins nahegelegene Herzogenaurach. Das EM-Quartier wurde um 1.30 Uhr erreicht. Im Laufe des Mittwochs verließen die Spieler das Quartier und traten den frühzeitigen Urlaub an. Für sie geht es demnächst wieder bei ihren Vereinen weiter. Löw indes sagte, er habe noch keine Pläne für die Zukunft.
DFB-Direktor Bierhoff will derweil trotz des abermals frühen Scheiterns an den hohen Turnieransprüchen festhalten. „Ich kann nicht damit zufrieden sein, dass wir Außenseiter sind“, sagte der frühere Nationalspieler in Herzogenaurach. Die DFB-Auswahl habe den „Anspruch, immer vorn mitzuspielen“, fügte der 53-Jährige hinzu. 2018 war das deutsche Team unter Löw als Titelverteidiger bei der WM in Russland schon in der Gruppenphase ausgeschieden.
Man habe nun den Anspruch, eine „souveräne Qualifikation“ für die Weltmeisterschaft in Qatar 2022 zu spielen, sagte Bierhoff. Flicks Aufgabe sei es, „eine Mannschaft aufzubauen, die Identität hat“, fordert der Europameister von 1996. Bierhoff wünscht sich mehr Kontinuität in den Leistungen der Nationalelf. Zuletzt habe es „immer doch wieder kleine Rückschritte“ gegeben, „die müssen wir versuchen abzustellen“, sagte er. Für den Neuaufbau sei Flick zwar „wenig Zeit gegeben“. Man wolle aber „schon in Qatar eine schlagkräftige Mannschaft haben“.
Auch ein altes Thema holte Löw nochmal ein. Er rechnet fest mit einer Aussprache mit Mesut Özil. „Es wird die Zeit kommen, wo wir uns miteinander wieder unterhalten und uns wieder treffen werden. Irgendwann wird der Tag kommen“, sagte Löw. Özil war nach den Querelen um das umstrittene Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem folgenden WM-Scheitern 2018 aus der Nationalelf zurückgetreten. Den DFB-Verantwortlichen hatte er unter anderem vorgeworfen, ihn nicht vor rassistischen Verunglimpfungen geschützt zu haben. Löw hatte später von erfolglosen Versuchen der Kontaktaufnahme zum 92-maligen Nationalspieler berichtet, der mittlerweile bei Fenerbahce Istanbul spielt.
Es sei „eine große menschliche Enttäuschung“ gewesen, dass er und Özil in den Wochen nach der WM vor drei Jahren in Russland nicht persönlich gesprochen hätten, berichtete Löw nun. „Selbstverständlich war der Mesut für uns, für unsere Nationalmannschaft, für Deutschland ein unglaublich wichtiger und großartiger Spieler. An wie viele Spiele können wir uns erinnern, wo er wirklich auch seine großartigen Fähigkeiten gezeigt hat und alle Fans mitgerissen und begeistert hat.“ Özil war Schlüsselspieler auf dem Weg zum gemeinsamen Titelgewinn bei der WM 2014 in Brasilien. Es werde der Tag kommen, an dem in einer Aussprache alles beiseite gelegt werde, sagte Löw.