
Beginn der Fußball-EM : Glänzende Bühne, dunkle Rückseite
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Noch nie wurde eine internationale Fußballveranstaltung derart von der Politik überlagert. Die Stars und die Fernsehzuschauer werden keinen Unterschied zu sonstigen Turnieren spüren. Aber auch nach dem Anpfiff wird diese EM politisch aufgeladen bleiben.
Michel Platini atmet auf. Endlich rollt der Ball. Wenn an diesem Freitagabend (18.00 Uhr / Live in der ARD und im F.A.Z.-Ticker) die Polen in Warschau die Griechen zum Eröffnungsspiel der Europameisterschaft empfangen, dann darf der Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa) hoffen, dass endlich der Sport in den Fokus rückt.
Noch nie wurde eine internationale Fußballveranstaltung derart von der Politik überlagert. In den vergangenen Tagen und Wochen standen nicht die Fragen im Vordergrund, ob Deutschland oder die Niederlande die spanische Vorherrschaft brechen können, ob die alten Mächte Italien, England und Frankreich wieder bei Kräften sind oder ob ein Außenseitersieg noch einmal möglich ist, wie er 2004 Griechenland gelang.
Diskutiert wurden der Auschwitz-Besuch der deutschen Nationalmannschaft und die Frage, wie der Westen auf Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine zu reagieren hat: Gar mit Boykott? Viele EU-Politiker verkneifen sich die Reise in die Ukraine.
Michel Platini hat sich aus allem herausgehalten. „Ich bin Sportler, ich bin kein Politiker“, begründete das französische Fußball-Idol seine Weigerung, die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Ukraine kritisch zu kommentieren.
Aber diese Aussage stimmt nicht, die Vergabe der Europameisterschaft 2012 an Polen und die Ukraine war eine politische Entscheidung. Es ging nicht darum, den besten Bewerber mit der Ausrichtung des Turniers zu beauftragen, das wäre Italien gewesen, sondern darum, den Fußballmarkt Richtung Osten zu erweitern.
Fußball-EM 2012 : Vorfreude in Warschau
Zwischenzeitlich bereute die Uefa ihren Entschluss. Die Austragung war ernsthaft gefährdet, da Inkompetenz und Günstlingswirtschaft die Vorbereitungen stark verzögerten. Erst als die Europäische Fußball-Union die Regierungen unter Druck setzte und einen Teil der Organisation an sich riss, kam die Euro 2012 auf den rechten Weg - gerade noch rechtzeitig. Peinliche Verschiebungen von geplanten Eröffnungsfeiern waren zwar nicht mehr zu vermeiden, aber zum Anpfiff sind alle Stadien und Flughäfen betriebsbereit und erfüllen alle Standards.
Die Bühne ist also gerichtet für das große Fußballfest. Cristiano Ronaldo, Mesut Özil, Wesley Sneijder und Iniesta werden in Charkiw, Lemberg und Danzig keinen Unterschied zu den gewohnten europäischen Fußballschauplätzen spüren - und auch nicht die Fernsehzuschauer zu Hause. Aber wer sich die Verhältnisse an den Schauplätzen direkt ansieht, spürt, dass auch dramatische Spiele die Spannungen in den Gastgeberländern nicht ganz werden überlagern können.
Die ungelöste Frage, was mit der ehemaligen ukrainischen Regierungschefin Julija Timoschenko geschehen wird, begleitet das Turnier. Und rassistische Tendenzen in der Ukraine und in Polen könnten die Stimmung verdüstern. Ob es Platini gefällt oder nicht: Auch nach dem Anpfiff wird diese EM politisch aufgeladen bleiben.