Nachtreten bei French Open : Djokovic und ein Tornado von Gefühlen
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Wenn es nicht weh tut, läuft es auch: Novak Djokovic in Paris Bild: AFP
Pflaster am Nacken, medizinische Unterbrechung für eine Massage: Im Viertelfinale der French Open wirkt nicht nur Novak Djokovics Körper zerbrechlich, sondern auch das Ego.
Manche Menschen reagieren nach einem leichten Stoß mit blauen Flecken, und falls er zu diesen Leuten gehört, dann müsste sein Oberschenkel in diesen Tagen eine Landkarte sein. Es tat schon beim Zuschauen weh, als Novak Djokovic in der Anfangsphase des Spiels gegen Pablo Carreño Busta mit seinem Schläger seinen Quadrizeps traktierte, und auch dem Rest des Körpers ging es offensichtlich nicht besonders gut. Im Nacken des Serben klebte ein großes, quadratisches Pflaster, und er hatte sich auch schon vom Physiotherapeuten den linken Bizeps durchkneten lassen. Lebensfreude sieht anders aus, aber um Tennisspiele zu gewinnen, ist der Kampf mit dem Körper essentiell.
Um es kurz zu machen: Novak Djokovic gewann im Viertelfinale der French Open in vier Sätzen, obwohl es zu Beginn mehr als eine Stunde lang so ausgesehen hatte, als werde er womöglich aufgeben. Und der Spanier auf der anderen Seite verlor das Spiel, weil er zwar in dieser Stunde den ersten Satz gewann, aber das nervliche, körperliche und allumfassende Durcheinander des Gegners nicht nutzen konnte, weil er selbst zu nervös war. Am Ende, als sich alles ein wenig beruhigt hatte an Nacken, Bi- und Quadrizeps, hatte Novak Djokovic ein besseres, gesünderes Ich wiedergefunden. Zu den Hintergründen seines Problems mochte er nur sagen, dass beim Aufwärmen ein paar Dinge passiert seien, die es ihm am Anfang sehr schwer gemacht, die Schmerzen im Nacken und an der Schulter im Laufe des Spiels aber nachgelassen hätten.
Wiedererkennbare Muster
Der spanische Verlierer fügte allerdings noch ein paar Sätze hinzu, die sich auf Djokovics (den Regeln entsprechende) Behandlungen bezogen. „Jedes Mal, wenn das Spiel kompliziert wird, bittet er um medizinische Hilfe“, sagte Carreño Busta. „Er macht das schon lange. Ich wusste, was bei den US Open passieren würde, was hier passieren würde und was weiterhin passieren wird.“ Ein Kommentar, der ziemlich eindeutig in die Rubrik Nachtreten fällt, vielleicht im Frust geboren, selbst nicht stark genug zu sein, als der andere Schwäche zeigte.
Aber davon mal ganz abgesehen, ist es schon interessant zu beobachten, wie dünnhäutig die Nummer eins des Männertennis, Gewinner von 17 Grand-Slam-Turnieren und in diesem Jahr außer von sich selbst bei der Disqualifikation in New York von keinem Gegner besiegt, in vielen Spielen wirkt, selbst in vergleichsweise harmlosen Situationen. Die französische Sportzeitung „L’Équipe“ holte zu diesem Thema unter der Überschrift „Auf der Couch mit Djoko“ bei verschiedenen Sportpsychologen Auskünfte ein.
Djokovic muss sich auf harte Partie einstellen
Was unter anderem zu der individuellen Einschätzung führte, das Ego des Serben sei genauso stark wie dessen Fragilität, und der eher allgemeinen Einschätzung, Champions müssten Alchimisten sein, ausgestattet mit der Fähigkeit, das Blei mancher Situationen in Gold zu verwandeln. Djokovic selbst sagt, auf dem Platz erlebe er einen Tornado von Gefühlen; manchmal könne er nur gewinnen, wenn er ruhig bleibe, ein anderes Mal gehe es nur mit einem Ausbruch.
Jetzt aber Ball übers Netz und Blick nach vorn. Novak Djokovic wird im Halbfinale gegen Stefanos Tsitsipas an diesem Freitag (gegen 17.00 Uhr) einen beweglichen Nacken und eine gut geölte Schulter brauchen, denn der Grieche macht in dieser Woche einen extrem starken Eindruck. Von den fünf bisherigen Begegnungen gewann Tsitsipas zwei, die letzten beiden gingen allerdings klar an Djokovic.
Für das erste Halbfinale machen sich Rafael Nadal und Diego Schwartzman bereit, und das klingt alles in allem nach einer höchst vielversprechenden Kombination. Wer am Ende am Sonntag um den Titel spielen wird? „Schwer zu sagen“, findet Pablo Carreño Busta, „ich weiß nicht, ob wie immer – Novak und Rafa – oder ob wir eine Überraschung sehen werden.“ Mit diesem Kommentar eckte er nirgendwo an, aber der war ja auch nicht zu knackig wie das Bulletin in Sachen Djokovic.