Witthöft bei French Open : Mit Ehrgeiz und Witz
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Zündet in Paris die nächste Stufe? Carina Witthöft beim mühevollen Return Bild: EPA
13 Deutsche sind in Paris gestartet. Carina Witthöft steht als Einzige in Runde drei. Die nächste Gegnerin will sie ins Rutschen bringen und damit Kerbers Nummer-eins-Hoffnungen am Leben halten.
Wer Carina Witthöft in den sozialen Netzwerken folgt, der könnte glauben, das Leben auf der Tennistour wäre ein Traum. In New York Fotos einer Runde durch den Central Park, in Melbourne der Blick aus dem Fenster des Hotelzimmers hoch über der Stadt, in Paris ein Bildnis am Ufer der Seine mit dem Eiffelturm im Hintergrund oder ein paar Tage später in den Straßen der Stadt; immer lächelnd, immer fröhlich, immer hübsch anzusehen. Das ist die eine Seite. Sie zeugt von der Lebensfreude einer jungen Frau, die die pittoresken Angebote ihres Jobs genießt und ein sonniges Gemüt präsentiert.
Früher hieß es mal, die andere Seite, die Stunden der Trainingsfron, die konzentrierte Planung und eine gewisse Wettkampfhärte kämen zu kurz. Doch ohne die Bereitschaft, sich immer wieder zu quälen, landet niemand unter den ersten Hundert der Weltrangliste, geschweige denn weiter vorn.
Wie viel Kraft man in den Beinen haben muss, wie viel Luft in der Lunge, das sah man bei Carina Witthöfts Sieg gegen die Französin Pauline Parmentier in der sogenannten Stierkampfarena in Paris. Scheinbar endlose Ballwechsel, harte Grundlinienduelle und Verteidigungsarbeit an der grünen Plane, gemischt mit mutigen Angriffen. Mit diesem Sieg landete die 22 Jahre alte Hamburgerin in Runde drei – als Einzige aus den Reihen des Deutschen Tennis Bundes von ursprünglich 13 Kandidaten.
Sieg gegen Pliskova würde auch Kerber helfen
Natürlich sei diese Bilanz nicht der Knaller für das deutsche Tennis, meinte sie. Aber darum geht es jetzt nicht, sondern um die Frage, wie groß ihre Chance ist, zum ersten Mal in ihrer Karriere das Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers zu erreichen. Im Weg steht Karolina Pliskova, die in Paris auch um die Chance spielt, nach dem Ende des Turniers an der Spitze der Weltrangliste zu stehen; erreicht die Tschechin das Finale, wird sie Angelique Kerber überholen.
Nun könnte man einerseits meinen, eine Spielerin von diesem Format wäre vielleicht noch eine Nummer zu groß für Carina Witthöft, aber ganz so ist die Sache nicht. Die ungelenke Art, in der sich Pliskova auf Sand bewegt, weckt Erinnerungen an frühe Auftritte von Maria Scharapowa in Paris, die damals sagte, sie bewege sich im Sandkasten wie eine Kuh auf dem Eis.
Lange Beine und rutschen – das scheint keine ganz einfache Kombination zu sein. Bei der Frage, ob sie das Spiel habe, gegen Pliskova zu bestehen, zögert Carina Witthöft nicht. „Das hab ich auf jeden Fall“, sagt sie. Bisher beschränken sich ihre Erfahrungen mit den Besten auf zwei Begegnungen mit Angelique Kerber. Im vergangenen Jahr in Wimbledon verlor sie in zwei Sätzen, zu Beginn dieses Jahres in Melbourne verlor sie wieder, verpasste dabei aber gegen die nervöse und unsichere deutsche Konkurrentin eine gute Möglichkeit, mehr als nur einen Satz zu gewinnen.
Rittner über Witthöft: „Selbstbewusst, ehrgeizig, cool, witzig“
Bundestrainerin Barbara Rittner sieht die Verteilung der Kräfte vor der Begegnung am Samstag so: „Carina kann Karolina nur an einem guten Tag schlagen, aber möglich ist es. Sie muss weite Wege gehen und immer versuchen, aktiv zu sein.“ Als Witthöft vor zwei Jahren in Melbourne zum ersten Mal die dritte Runde eines Grand-Slam-Turniers erreichte, da meinte Rittner, ihre junge Kandidatin brauche noch ein wenig Zeit. Rittners aktuelle Beschreibung lässt darauf schließen, dass inzwischen Schwung in der Geschichte ist. „Sie ist selbstbewusst, ehrgeizig, cool, witzig. Sie weiß, was sie will, und hat großes Potential für Top 20 und mehr.“
Als die deutschen Frauen im Februar in Hawaii im Fed Cup gegen die Vereinigten Staaten spielten (und verloren), gehörte auch Carina Witthöft zum Team, und obwohl sie nicht eingesetzt wurde, waren hinterher alle voll des Lobes über sie. Starke Leistungen im Training, hieß es, fügt sich prima in die Mannschaft ein, verbreitet gute Stimmung. Nur an einem Nachmittag war sie mal für eine Weile nicht ansprechbar; bei einer Wal-Tour vor Maui mit der Mannschaft hing sie wortlos und mit geschlossenen Augen in den Seilen. Der Seegang war nicht ihr Ding.