
Formel 1 : Zur Lüge gezwungen
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Der Schnellste und der Sieger von Hockenheim: Felipe Massa (l.) und Fernando Alonso Bild: dpa
Das Sportgericht hat sich nicht für dumm verkaufen lassen: Ferrari zahlt Strafe und die Kosten des Verfahrens. Nun sollte noch das Verbot der Teamorder aufgehoben werden. Denn Paragraph 39.1 zwingt die Menschen zu lügen.
Zuerst die gute Nachricht: Das Sportgericht des Internationalen Automobil-Verbandes (Fia) hat sich nicht für dumm verkaufen lassen. Da mag der Formel-1-Rennstall Ferrari noch so sehr auf seiner Version bestehen. Der Platztausch beim Großen Preis von Deutschland, als Felipe Massa in der 49. Runde seine Führung demonstrativ an seinen Teamkollegen Fernando Alonso abgab, war eine Teamorder. Und damit nach geltendem Sportrecht der Fia verboten. Zu dieser Auffassung müssen auch die Sportrichter gekommen sein. Sie übernahmen das Urteil der Streckenkommissare. Ferrari zahlt nun 100.000 Dollar Strafe sowie die Kosten des Verfahrens.
Der kurze, unspektakuläre Prozess ist das Spektakuläre an diesem Fall. In den vergangenen Jahren, als der Jurist Max Mosley die Fia regierte, führten sogenannte Sportgerichtsprozesse regelmäßig zu drakonischen, aberwitzigen Strafen. 100 Millionen Dollar betrug die Geldbuße für McLaren-Mercedes im Zuge der Spionageaffäre rund um Ferrari 2007. Den Rennbetrüger Flavio Briatore belegte die Fia mit einem lebenslangen Berufsverbot, bevor sie von einem ordentlichen Gericht zurückgepfiffen wurde und die Sperre auf zwei Jahre reduzieren musste.
Dass Ferrari für 100.000 Dollar davon kommt, wirkt im Vergleich lächerlich. Alonso, dem auch ein Punkteabzug gedroht haben soll, bleibt deshalb im Rennen um den Titel. Und so erinnert die Strafe an einen Ablasshandel aus alter Verbundenheit: Der neue Fia-Boss Jean Todt war schließlich jahrelang Teamchef der Scuderia – und ein Verfechter der Teamorder. Ist also doch alles beim Alten geblieben?
Der Z wang zum L ügen
Nein. Todt ist nicht in Freundschaft von Ferrari geschieden. Zudem hat er die Leitung des Verfahrens am Mittwoch einem Richter übertragen. Das war so klug wie die Entscheidung des Gremiums vernünftig ist. Es hat geltendes Recht beachtet, aber seinen Richterspruch mit einer für die Fia sehr ungewöhnlichen Fußnote versehen. Der Anti-Teamorder-Paragraph 39.1 soll überdacht werden. Was das bedeutet? Die Funktionäre haben endlich akzeptiert, dass die Regel nicht kontrollierbar ist und als überholt gilt. Nicht erst seit der Diskussion über den Fall von Hockenheim berichten Fahrer von allerlei Tricks, mit denen eine Teamorder kaschiert wird.
Zudem versteht sich die Formel 1 mehr und mehr als Teamsport, in dem Ansprüche egozentrischer Piloten beim Kampf um die Meisterschaften zurückzustehen haben. Das ist in anderen Sportarten wie etwa dem Radsport längst die Regel. Warum sollte dies in der Formel 1, wo Teamchefs auch das Wohl von 800 Mitarbeitern im Auge haben müssen, eine Sünde sein? Zumal sich jeder Fahrer seinen Chefpiloten-Status hart erkämpfen muss.
Man kann der Fia also nur raten, das Verbot der Teamorder aufzuheben. Bislang hat es Individuen, die eigentlich geschützt werden sollen, nur in ein unwürdiges Schauspiel getrieben. Die Unschuldsbeteuerungen von Massa und Alonso lösten jedenfalls Gelächter aus. Paragraph 39.1 hat also nur eine Wirkung: Er zwingt die Menschen zu lügen. Falls die Fia das erkannt hat und ihr Regelwerk in Frage stellt, dann ist das keine gute Nachricht. Es ist die beste.
