Formel 1 : Drama in drei Akten in Silverstone
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Horrorunfall unmittelbar nach dem Start: Wie durch ein Wunder hat Guanyu Zhou den Crash ohne schwere Verletzungen überstanden. Bild: Reuters
Erst verunfallt Guanyu Zhou kurz nach dem Start heftig, dann rast Carlos Sainz beim Großen Preis von Großbritannien der Konkurrenz davon. Und auch Mick Schumacher lässt seiner Freude freien Lauf.
Es sind ein Zaun, der von einer Spezialfirma für Lawinenschutz hergestellt wird, und ein Halo genannter Cockpitbügel aus Titan, die maßgeblichen Anteil daran haben, dass der Große Preis von Großbritannien tatsächlich zu jenem Spektakel wird, das sich die 140.000 Zuschauer erhofft hatten – und nicht zu einem schwarzen Tag für die Formel 1. Nur wenige Sekunden nach dem Start wird der zehnte WM-Lauf abgebrochen, nachdem der Alfa Romeo des Chinesen Guanyu Zhou kopfüber durchs Kiesbett schlittert, angehoben wird, über die Sicherheitsbarrieren fliegt und seitlich im besagten Zaun landet. „Der Halo hat mich gerettet“, sagte Zhou später, als er schon wieder durch das Fahrerlager laufen konnte. Auch das zweite Unfallopfer, der Thailänder Alex Albon, kann dem nach einem heftigen Crash havarierten Williams ohne äußere Verletzungen entkommen, musste aber zur Beobachtung noch in ein Krankenhaus geflogen werden.
Der Schockstarre folgen nach dem Neustart und einer späten Neutralisierung zahlreiche sportliche Dramen in einem der unterhaltsamsten Rennen der letzten Jahre. Fast wäre es noch zu einer weiteren Katastrophe gekommen, als nach dem Abbruch mehrere Klima-Aktivisten überwältigt werden mussten, die sich als Streckenposten verkleidet und schon in Richtung Piste geschmuggelt hatten, um eine ähnliche Protestaktion wie vor zwei Jahren durchzuführen.
Aber dann, endlich der Sport, nach einer vom samstäglichen Regen bestimmten Startaufstellung. Bestand hatte davon nach zweieinhalb Stunden und 52 Runden aber nur der Mann auf der Pole-Position. Der Spanier Carlos Sainz junior steht im 150. Anlauf zum ersten Mal ganz vorn, und der zweite Mann von Ferrari bleibt es auch nach zahlreichen Wendungen bis zum Schluss. Er distanziert damit den Mexikaner Sergio Perez, dessen Red-Bull-Honda zwar schon früh havariert, aber am Ende mit frischen Reifen die Spitzengruppe durch zahlreiche aggressive Manöver durcheinanderwirbelt. Möglich gemacht durch eine späte Safety-Car-Phase. Auf den letzten zehn Runden wechseln die Positionen der Top-Autos beinahe sekündlich.
Das geht zu Lasten von Charles Leclerc. Der monegassische Titel-Mitfavorit wird in letzter Zeit immer wieder durch die Technik, Taktik oder eigene Fehler gebremst, auch diesmal bleibt ihm das Pech treu. Da Sainz und nicht er zum Boxenstopp geholt wird, kommt die Ferrari-Hoffnung nicht mal aufs Podest. Intern wird das in Maranello für weitere Diskussionen sorgen, selbst wenn Teamchef Mattia Binotto für seine Taktik gute Gründe anführt. Aber freie Fahrt für beide Piloten in einem Titelrennen, in dem Leclerc dringend aufholen muss, das ist ein enormes Risiko. Stattdessen feiert Lewis Hamilton, der Rekordsieger von Silverstone, mit dem dritten Rang ein grandioses Comeback. Mit dem runderneuerten Silberpfeil schafft er es auf den dritten Platz, und mehr als das Ergebnis begeistern ihn das erstarkte Auto und der Zuspruch des Publikums, gerade nach den rassistischen Angriffen der Vorwoche: „Das war die größte Show auf Erden, sowas ist nur möglich in Silverstone.“