Formel 1 : Wie Russell seinem Mercedes-Kollegen Hamilton zusetzt
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Tüfteln beide noch am Mercedes: George Russell (l.) und Lewis Hamilton Bild: EPA
Hungrig, opferbereit, entschlossen: Bei Mercedes kann George Russell endlich zeigen, was in ihm steckt. Gegenüber Teamkollege Lewis Hamilton hat er die Führung in internen Duellen. Doch manchmal trügt der Schein.
Diese Statistik können nicht einmal WM-Spitzenreiter Max Verstappen und sein Rivale Charles Leclerc bieten. George Russell ist der einzige Fahrer im Feld, der bei allen neun Grands Prix in diesem Jahr gepunktet hat und dabei immer auf den ersten fünf Plätzen ins Ziel gekommen ist. Der 24-jährige Engländer liegt mit 111 Punkten auf dem vierten Platz im Gesamtklassement, und würde bei Mercedes beim Heimrennen in Silverstone an diesem Sonntag (16.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Formel 1 und bei Sky) endlich der Knoten aufgehen, dann könnte Russell sogar noch um den WM-Titel mitfahren. Auf Verstappen fehlen ihm 64 Punkte. Der zweimalige Saisonsieger Leclerc hat nur 15 Zähler mehr auf dem Konto als Russell.
Führung im internen Vergleich
George Russell ist nach drei Lehrjahren bei Williams endlich an seinem Ziel angekommen. Das Juwel aus dem Mercedes-Nachwuchsprogramm sitzt in einem Mercedes. Doch ausgerechnet jetzt ist dieser Mercedes kein Siegerauto. Russell gibt zu, dass er enttäuscht gewesen wäre, wenn man ihm vor der Saison gesagt hätte, dass er nach einem Drittel der Saison immer noch auf seinen ersten GP-Sieg warten muss.
Aber der 1,85-Meter-Mann hat bei Williams gelernt, Tatsachen zu akzeptieren. „Du musst das Positive mitnehmen. Wenn du irgendwann Weltmeister werden willst, darfst du es nicht zulassen, dass dich die Enttäuschung runterzieht, weil es das nächste Rennen beeinflussen würde. Es macht keinen Sinn, von einem anderen Auto zu träumen. Am Ende muss ich doch dieses Auto fahren und meine beste Leistung bringen.“
Auf dem Papier stimmt die Leistung. Russell führt im internen Vergleich mit Lewis Hamilton mit 111:77 Punkten und mit 5:4 nach Trainingsduellen. Der Neuling im Team stand schon drei Mal auf dem Podest, der Rekordsieger erst zwei Mal. So setzte dem siebenmaligen Weltmeister schon lange kein Teamkollege mehr zu. Noch dazu einer, der in dieser Liga quasi noch Neuling ist. Russell gibt nicht viel auf die Zahlenwelt: „Im Moment ist es völlig egal, wer von uns vorne liegt. Lewis und ich müssen zusammen dem Team helfen, das Auto schneller zu machen. Wir sind nicht da, um Fünfter zu werden. Und das ist im Moment der beste Platz, den wir erreichen können, wenn von Red Bull und Ferrari keiner ausfällt.“
Tatsächlich wird das Duell der Mercedes-Fahrer dadurch verzerrt, dass beide im Zuge der Problemlösung meistens mit unterschiedlichen Fahrzeugabstimmungen und manchmal sogar unterschiedlichen Konfigurationen in das Rennen geschickt werden. In Montreal wählte Hamilton einen kleineren Heckflügel als sein Landsmann. Meistens nimmt Hamiltons Seite der Garage bei den Experimenten die riskantere Variante, was nicht immer die bessere Wahl war. „Die unterschiedlichen Wege liefern uns schneller Antworten auf unsere Fragen“, rechtfertigen die Ingenieure das geteilte Risiko.
Psychologischer Vorteil
Hin und wieder stört es Hamilton dann doch, wenn ihm der junge Herausforderer vor der Nase herumfährt. Da beschwert er sich schon mal über die Strategie, die ihn vermeintlich benachteiligt hat. Tatsächlich war es dann so, dass Russell einfach mehr Glück mit dem Timing seiner Boxenstopps hatte, weil sie wie in Melbourne oder Miami in eine Safety-Car-Phase fielen.