Formel-1-Reifen : Mit Vollgas in die Sackgasse
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Stapelweise Probleme: Die Reifen sind die letzte große Unbekannte im großen Schachspiel der Formel 1 Bild: AP
Dieses Problem bringt die Formel 1 an den Rand einer Krise. Beim Reifenstreit zeigt sich das miserable Krisenmanagement. Pirelli, Mercedes und Fia-Chef Todt stehen im Kreuzfeuer der Kritik.
Dieses Problem bringt die Formel 1 an den Rand einer Krise. Mercedes muss sich vor einem internationalen Tribunal dafür verantworten, im Widerspruch zum Sportgesetz drei Tage lang mit einem aktuellen Autoreifen getestet zu haben, ohne dass die anderen Teams eingeweiht waren. Die Marke mit dem Stern verteidigt sich damit, vom Weltverband (Fia) die Absolution dafür bekommen zu haben. Fia-Rennleiter Charlie Whiting hatte zuvor von Fia-Anwälten Rechtsbeistand eingeholt.
In einer Pressemitteilung bestätigte die Behörde, dass man sein Einverständnis für diesen Test gegeben habe, auch mit einem 2013er Auto. Das verursacht im Zirkus Befremden. Tenor: „Wie kann ein Vertrag über einem Gesetz stehen?“ Der Weltverband beruft sich auf den Zusatz, dass man das Einverständnis nur unter einer Bedingung gegeben habe. Nämlich, dass alle anderen Teams die gleiche Möglichkeit erhalten und informiert werden.
Ross Brawn hält seinen Kopf hin: „Ich habe diese Entscheidung getroffen.“ Niki Lauda hörte davon erst, als die Autos schon fuhren. „Für mich war nur wichtig, ob wir rechtlich auf sicheren Füßen stehen. Die Argumente haben mich überzeugt.“ Red-Bull-Teamchef Christian Horner warf Mercedes fehlende Transparenz vor: „Auch wir wurden von Pirelli gefragt, haben aber abgelehnt, weil es sich nach unserer Meinung um eine Verletzung des Sportgesetzes handelt. Wir sind enttäuscht, dass wir von dem Test aus zweiter Hand erfahren haben.“
Horner schließt daraus, dass die Veranstaltung geheim bleiben sollte. Brawn verbessert die Wortwahl: „Nicht geheim, sondern privat. Wer glaubt, dass man drei Testtage in Barcelona geheim halten kann, ist naiv.“ Gegenfrage der Konkurrenz: Warum trugen Nico Rosberg und Lewis Hamilton dann neutrale schwarze Helme statt ihren üblichen Kopfschutz? Co-Teamchef Toto Wolffs Antwort: „Wir konnten den Fahrern kein Sicherheitspersonal zur Verfügung stellen und wollten einem Ansturm der Fans vorbeugen.“
„Da leiden die Hinterreifen noch stärker“
Mercedes ist der Meinung, dass die Informationspflicht beim Ausrichter der Testfahrten, also Pirelli, liegt. Man habe Pirelli auch darum gebeten, der Aufforderung der Fia Folge zu leisten. Pirelli hat das aus guten Gründen unterlassen. Die anderen Teams hätten sofort ein Veto eingelegt. Der italienische Reifenhersteller braucht aber dringend Versuchsfahrten mit einem repräsentativen Auto. Es galt ein Problem mit der Ablösung der Lauffläche an den Hinterreifen zu lösen, und man muss den Teams bis zum 1. September die Reifenspezifikationen für 2014 präsentieren.
„Wie sollen wir das machen, wenn wir kein geeignetes Auto zum Testen bekommen?“, sagt Pirelli-Sportchef Paul Hembery verzweifelt. „Die Daten, die wir von den Herstellern über die 2014er Turbomotoren bekommen, zwingen uns, einen völlig neuen Reifen zu bauen. Die neuen Motoren haben deutlich mehr Drehmoment als die aktuellen. Da leiden die Hinterreifen noch stärker.“
Red-Bull-Berater Helmut Marko hält einen Punktabzug, verbunden mit einer Geldstrafe, für angemessen, um ein Exempel zu statuieren. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Fällt die Strafe für Mercedes zu hoch und die Demütigung für Pirelli zu groß aus, könnte das in beiden Chefetagen ein Überdenken der Aktivitäten in diesem Sport zur Folge haben. Der Fall zeigt, wie schlecht das Krisenmanagement in der Königsklasse geworden ist.
Ein Teamchef warnt: „Wir stehen vor einer ernsthaften Krise. Es gibt viele Baustellen, aber keine Lösung, weil wir unregierbar geworden sind.“ In der Kritik steht auch Fia-Präsident Jean Todt. Er drücke sich vor kontroversen Entscheidungen und setze darauf, dass der Zirkus seine Probleme von alleine löst. Red Bull und Ferrari haben auch deshalb protestiert, um Todt aus der Reserve zu locken.